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Protestkundgebung vor der Deutsche Wohnen AG // Freitag, 02.06.17 // 11 Uhr

Quelle: http://deutsche-wohnen-protest.de/

02.06.2017 (Freitag) /// 11 Uhr

Ort: Mecklenburgische Str. 57, Berlin-Charlottenburg

Das Wohnen zu bezahlbaren Preisen in Berlin ist bedroht!

2004 hat der damalige SPD-PDS-Senat ganze Siedlungen, die bis dahin zum sozialen Wohnungsbau gehörten, privatisiert. Diese fatale Fehlentscheidung führte dazu, dass seitdem börsennotierte Konzerne wie die Deutsche Wohnen AG diese Gebäude im großen Stil aufkaufen konnten und es immer noch tun!

Die DW AG ist der größte private Wohnungseigentümer in Berlin und besitzt derzeit fast 110.000 Wohnungen. Ihre Renditestrategie ist eine aggressive Mietsteigerungspolitik. Modernisierungsmaßnahmen werden vorgenommen, die nicht die Wohnqualität für uns MieterInnen erhöhen sollen, sondern lediglich der Profitmaximierung dienen. Die Bestandspflege und längst fällige Instandhaltungsmaßnahmen der Gebäudekomplexe werden vernachlässigt. Es wird aber energetisch modernisiert- denn diese Kosten können ja auf die Miete umgelegt werden! Hochgiftige und leicht entzündliche Baustoffe sollen auf die Fassaden aufgebracht werden, die auf den somit hermetisch abgeschirmten Gebäuden allenfalls Schimmelbildung hervorrufen, aber nicht zu der versprochenen Einsparung an Energiekosten führen.

Die DW ignoriert zudem den Mietspiegel und stellt überhöhte Betriebskosten in Rechnung. Die Verdrängung von uns BestandsmieterInnen gehört zur Geschäftsstrategie. Doch wo sollen wir MieterInnen noch hinziehen? Denn die Profitmaximierungsstrategie der DW ist nur ein Beispiel für die Auswirkungen der mietenpolitischen Entwicklung in Berlin, wo systematisch preisgünstigere Alternativen zerstört werden.
Doch längst schauen wir MieterInnen diesem Treiben nicht mehr untätig zu! Wir lassen uns nicht verdrängen! Deswegen haben wir in zahlreichen Stadtteilen Berlins Bündnisse gegründet, um uns gemeinsam gegen die Machenschaften der DW AG zu wehren.

Wir fordern von der Politik:

  • Die Abschaffung des Gesetzes zur Energetischen Modernisierung,
  • eine wirksame Mietpreisbremse,
  • den Übergang der Bestände der DW und anderer Immobilienunternehmen in die öffentliche Hand unter Mitbestimmung durch die MieterInnenschaft,
  • einen wirksamen Mileuschutz in ganz Berlin und für alle MieterInnen

Am 02. Juni will die Aktionärsversammlung der DW AG in Frankfurt am Main ihre Geschäftspraktiken verfeinern und sich an ihrem Wachstum erfreuen. Dem werden wir hier in Berlin mit lautstarkem Protest begegnen!
Daher versammeln wir MieterInnen uns ebenfalls am 02. Juni um 11.00 Uhr vor dem Verwaltungsgebäude der DW AG zu einer Kundgebung, um ein Zeichen zu setzen und auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen. Gemeinsame Anreise etc. (wird vorbereitet bzw. diskutiert). Kommt mit Plakaten, Transparenten, Nudelsalaten und Getränken! Kommt mit FreundInnen und NachbarInnen! Wir MieterInnen sind Berlin!

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4. Mieterforum Pankow am 31.05.2017 in der Wabe

“Wende in der Wohnungspolitik – Ankündigung und Realität.”

Termin: 31.05.2017
19:00 Uhr, WABE im Kulturareal Thälmannpark
Moderation: Andrej Holm

Aktive Mieter*innen aus Pankower Mietshäusern diskutieren die Veränderungen in der Berliner Mieten – und Wohnungspolitik unter der neuen rot-rot-grünen Regierung.

  • Mietenbündnis 2017 – werden die Kommunalen sozialer und mieterfreundlich
  • Energetische Modernisierung bei den Kommunalen warmmietenneutral?
  • Milieuschutz – versagt in Pankow?
  • Kommunales Vorkaufsrecht nutzen?
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Das Vorkaufsrecht – Ein Rundbrief für MieterInnen in Berlin

Reichlich Lesestoff… die Sache mit dem Vorkaufsrecht.

Da die Regionalberatung des Mietshäuser Syndikat in letzter Zeit häufig zum Thema Vorkaufsrecht von MieterInnen und MieterInnengemeinschaften angesprochen worden ist, hat sie für Euch ihren Wissensstand zum Thema zusammengefasst. Im Text wird auch eine Fachtagung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg angesprochen, die Dokumentation dieser ist fertig und ist hier vom Bezirk veröffentlicht.

Liebe Initiativen, Hausgemeinschaften, stadtpolitisch Engagierte,

immer wieder wurde in den letzten Jahren gefordert, dass die Berliner Bezirke ihr Vorkaufsrecht ausüben sollten. Damit ließen sich die Aufteilung in Wohneigentum oder mietpreissteigernde Sanierungen zumindest teilweise verhindern oder abschwächen. Dieses Instrument wurde in Städten wie München und Hamburg in der Vergangenheit immer wieder genutzt, in Berlin hat sich der Bezirk Tempelhof-Schöneberg in 2015 erstmals dazu entschlossen, ein Vorkaufsrecht auszuüben. So wurde im April 2015 das Vorkaufsrecht bei den von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Höchstgebot verkauften Wohnungen in der Großgörschen und Katzlerstraße geltend gemacht. Bei diesen Häusern gilt es auch noch eine Besonderheit abzuwarten: Der Bund klagt hier gegen den Bezirk, weil das Vorkaufsrecht vom Bezirk nicht mit dem Höchstpreis veranschlagt wurde, sondern zueinem verminderten Preis.

Im Dezember 2015 (s. Pressemitteilung Nr. 154 vom 15.12.2015) hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufrecht bei der Wrangelstr. 66 ausgeübt. Aktuell wird die Ausübung mindestens bei jedem Verkaufsfall von Wohnobjekten in einem Gebiet mit Satzungsrecht geprüft.

In der Koalitionsvereinbarung wurde vereinbart:

„Die Koalition will das Vorkaufsrecht zu einem effektiven Instrument entwickeln. Der Senat wird zusammen mit den Bezirken im ersten Halbjahr 2017 ein Konzept für strategische Ankäufe und die Ausübung von Vorkaufsrechten erarbeiten und dem Abgeordnetenhaus vorlegen.“

Außerdem:

„Zur Flankierung der wohnungspolitischen Ziele und um Spekulation zu begrenzen, nutzt Berlin verstärkt seine Vorkaufsrechte nach Baugesetzbuch. Dazu sollen gezielt Vorkaufsrechts-Verordnungen erlassen werden. Vorrang hat der Ankauf zugunsten von städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Es werden Verfahren entwickelt und finanzielle Ressourcen bereitgestellt, um innerhalb der Zweimonatsfrist eine wirksame Ausübungspraxis durch die Bezirke zu ermöglichen.“

D.h. in den nächsten Monaten könnten richtungsweisende Schritte zur Nutzung des Vorkaufsrechtes unternommen werden. Wir sehen das Instrument als Möglichkeit, für die Mieter*innen aus der Spirale von Verkauf, Aufteilung in Wohneigentum und die damit verbundenen Mietsteigerungen zumindest teilweise herauszukommen.

Im Folgenden soll daher der Ablauf bzw. unser Wissenstand vorgestellt werden.

Das Vorkaufsrecht durch die Bezirke

Nach dem § 24 BauGB (Baugesetzbuch) haben die Bezirke (Gemeinden) ein Vorkaufsrecht. Dieses kann wahrgenommen werden, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. U.a. ist es für die Bezirke möglich, das Vorkaufsrecht in Gebieten, in denen eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB existiert, wahrzunehmen. Das VKR kann auch zugunsten Dritter ausgeübt werden. Dies wird, solange die Bezirke nicht die entsprechenden Mittel zur Verfügung haben, die Regel sein.

Abwendungsvereinbarung

Priorität der Bezirke wird es aber nicht sein, dass in möglichst vielen Fällen das VKR tatsächlich ausgeübt wird, sondern die in § 27 BauGB gegebene Möglichkeit zur Abwendung des Vorkaufsrechts durch Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung. Diese wird dem Käufer vom Bezirk zugestellt. Darin werden verschiedene Bedingungen formuliert. So kann z.B. für einen Zeitraum von 20 Jahren ausgeschlossen werden, dass die Wohnungen in Wohneigentum nach WEG umgewandelt werden. Des Weiteren werden regelmäßig energetische Sanierungen, die über das gesetzlich verlangte Maß hinausgehen, der Anbau von Balkonen und der Einbau von Aufzügen ausgeschlossen. In der AV werden Vertragsstrafen bei Zuwiderhandlung vereinbart.

Für die Mieter*innen ist es wichtig, dass diese Regelungen möglichst weitreichend in ihrem Sinne gefasst werden und die Vertragsstrafen möglichst hoch sind sowie im Grundbuch gesichert werden. Andernfalls können diese einfach eingepreist oder durch einen Weiterverkauf umgangen werden. Für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde bereits ein Katalog von möglichen Bestandteilen für Abwendungsvereinbarungen erstellt.

Fristen und Kauf zum Verkehrswert

Das Vorkaufsrecht kann nur innerhalb von zwei Monaten, nachdem dem Bezirk der vollständige Kaufvertrag zugegangen ist, ausgeübt werden. Die betroffenen Häuser haben also eine extrem kurze Frist, um alle notwendigen Schritte zu organisieren: Die Hausgemeinschaft muss zusammen finden und entscheiden, ob das Haus in Selbstverwaltung oder über eine der städtischen Wohnbaugesellschaften (WBG) gekauft werden soll. Außerdem muss der Bezirk kontaktiert werden, denn nur dieser kann das VKR ausüben.

Angesichts der nach wie vor anhaltenden Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt ist wichtig, dass nach § 28 BauGB für den Bezirk die Möglichkeit besteht, das VKR zum Verkehrswert auszuüben „wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet“. Hier bietet sich die Möglichkeit
anstatt der oft absurden Kaufpreise, das VKR zum teilweise niedriger liegenden Verkehrswert auszuüben. Für die Bezahlbarkeit der Mieten kann die Ausübung des VKR zum Verkehrswert ausschlaggebend sein. Da dieses Vorgehen für den Verkaufenden die Rendite schmälert, ist hier die Wahrscheinlichkeit höher, dass gerichtlich dagegen vorgegangen wird. Wenn die Koalition das VKR zum Verkehrswert als politisch sinnvolles Mittel nutzen will, müssen für die Übernahme eines Prozessrisikos entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Die Dritten

Teile der Senatsverwaltung favorisieren als Dritte die städtischen WBG. Aus Sicht der Mieter*innen und der Bezirke kann es aber auch sinnvoll sein, dass die Dritten aus einem Pool gemeinwohlorientierter Träger (WBG, Stiftungen, Genossenschaften, Mietshäuser Syndikat) gewählt werden können. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg möchte bereits einen solchen Interessentenpool aufbauen.

Die WBG werden nicht in jedem Fall Interesse an den Häusern haben bei denen ein VKR ausgeübt werden kann, da sie enge Vorgaben zur Rentabilität der Ankäufe erfüllen sollen. Die „Gemeinwohlorientierten“ könnten eventuell für die Mieter*innen langfristig bessere Konditionen und vor allem umfangreiche Selbstverwaltungsmöglichkeiten anbieten. Bezüglich des Kaufpreises kann es in manchen Fällen mehr Spielraum geben, zaubern können diese aber auch nicht. Mieter*innengemeinschaften könnten und sollten aber auch versuchen mit den WBG umfangreichere Selbstverwaltungs- und Mitbestimmungsrechte auszuhandeln. In Berlin gibt es eine lange Geschichte der Selbstverwaltung, auch bei Häusern, die sich im Eigentum einer WBG befinden. Diese Erfahrungen müssen für die neuen „VKR-Häuser“ nutzbar gemacht werden und von Hausgemeinschaften verhandelt und durchgesetzt werden.

Die Bezirke

Da die Bezirke diejenigen sind, die ein VKR ausüben können, sind diese in der Pflicht hier tätig zu werden. Zur Zeit hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine Vorreiterrolle inne. So wurde im Dezember 2016 eine Fachtagung zum Thema organisiert, bei der die verschiedenen Problemstellungen bei der Ausübung des VKR vorgestellt und diskutiert wurden. Durch die Verwaltung wurde ein Kriterienkatalog erstellt, nach dem alle Verkaufsvorfälle im Bezirk überprüft werden. Des Weiteren wurde ein Ablaufplan über die notwendigen Schritte erstellt, innerhalb derer das VKR ausgeübt werden kann. Ob weitere Bezirke in den Gebieten mit Erhaltungssatzung Verkaufsfälle auf Ausübung des VKR angehen werden, ist noch offen. Auf der Fachtagung selbst, waren jedoch auch Baustadträte und Verwaltungsmitglieder aus anderen Bezirken mit regem Interesse vertreten. So z.B. die Baustadträte von Mitte und Neukölln.

Aussichten

Neben der Bekanntmachung des Vorkaufsrechts als Instrument der Bezirke muss ein Ziel sein, das Vorgehen bzw. die angestrebten Verfahren durch die Bezirke und die Senatsverwaltung, welche noch nicht festgelegt sind, im Sinne der Mieter*innen zu gestalten. Da als Voraussetzung der Ausübung des VKR eine Erhaltungssatzung vorliegen muss, müssten diese auf weitere Gebiete in den Stadtbezirken ausgeweitet werden. Im Koalitionsvertrag heißt es z.B. hierzu:

„Die Koalition unterstützt stadtweit die Ausweisung von Sozialen Erhaltungsgebieten. Mit dem Monitoring Soziale Stadt sollen Empfehlungen für Gebietsausweisungen gegeben werden.“

Die Bezirke selber müssen dazu bewegt werden, Personal für die Ausübung des VKR bereitzustellen und sich die fachliche Kompetenz dazu zu erarbeiten. Denn nur sie sind in der Lage, die Verkaufsfälle systematisch zu überprüfen, die Mieter*innen erfahren schließlich häufig genug erst im Nachhinein von einem Verkauf ihres Hauses. Auch die Betroffenen über einen bevorstehenden Verkauf zu informieren, wäre daher Aufgabe der Bezirke.

Der Senat muss aufgefordert werden, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen und auch Verantwortung für rechtliche Auseinandersetzungen zu übernehmen. Auch ein Fonds zur Zwischenfinanzierungen von Vorkaufsrechten muss von der Senatsebene ausreichend finanziert werden.

Bei allen diesen Schritten sind aktive Mieter*innengemeinschaften gefragt, die die Bezirke und den Senat zum Handeln bewegen.

Regionalberatung Berlin-Brandenburg
im Mietshäuser Syndikat
März 2017

Kontakt und Information: berlin-brandenburg@syndikat.org

Der Rundbrief als .pdf.

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Recht und Gewalt – ein Kommentar zum Angriff auf das Vertikal

An dieser Stelle dokumentieren wir einen Beitrag vom 06.März 2017, der auf der Seite von Bizim Kiez veröffentlicht wurde.

Profitorientiertes Wirtschaften ist im Kapitalismus Standard. Es gibt kein Gesetz, das den Gebrauch von Privateigentum in Form von Kapital zur Erzielung von Profiten pauschal verbietet, und auch keins, das die Größenordnung der Profite, die durch Kapital erwirtschaftet werden können, pauschal begrenzt. Beides würde als Eingriff des Staates in die freie Marktwirtschaft gelten, und das wiederum ist als Sozialismus verschrieen. Obwohl der Staat eigentlich auch im Kapitalismus immer wieder ganz massiv in die Wirtschaft eingreifen muss, um dessen Krisen zu managen, wie das Nachspiel der Weltwirtschaftskrise 2008 gezeigt hat – aber das hören die Verfechter des freien Marktes nicht gerne.

Recht und wem es nützt

Ohne rechtliche Schranken bleibt es also einzig dem sozialen Verantwortungsgefühl der Investor.innen überlassen, nicht nur wie weit sie es mit der Erwirtschaftung von Profiten durch ihr Kapital treiben, sondern auch, wie sie damit die Gesellschaft verändern, also wie sie ihre gesellschaftliche Kapitalmacht einsetzen. Das sollte betont werden: Wir leben in einem politischen System, das sich auf die Fahnen schreibt, jede Macht zum Wohle der Allgemeinheit zu begrenzen. Nur die Begrenzung einer Macht wird systematisch vernachlässigt: Die Kapitalmacht der Eigentümer.innen. Charles Skinner und David Evans sind solche Eigentümer mit Kapitalmacht. Sicher nicht die allergrößten Player, keine Citec, aber immer noch groß genug, um einen ganzen Kiez nach ihren Konzepten umgestalten zu können. Die Aussage, dass das Filou nicht mehr in diese hineinpasst, sollte nicht so sehr schockieren, wie ernst genommen werden: Diese Menschen haben tatsächlich die Macht, den GloReiche Kiez nach ihren Vorstellungen umzugestalten, und das Einzige, dem sie dabei Rechenschaft schuldig sind, ist ihr soziales Gewissen.

Bei einem neulichen Interview für das RBB Inforadio meldete sich Charles Skinner selbst zu Wort: Es ginge beim Filou gar nicht darum, dass er mehr Miete wolle, sondern darum, dass Daniel, ein Betreiber des Filou, und er selbst, „einfach keine Freunde mehr seien“, so Skinner wörtlich. Angenommen, er sagt hier die Wahrheit: Warum kann er das Filou, das 15 Jahre lang die Existenzgrundlage einer Familie war, verdrängen, weil er findet, Daniel und er sind einfach keine Freunde mehr? Hier geht es nicht um Freundschaft – das ist Business, und zwar Business mit der Existenz von Menschen, mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen ganzer Nachbarschaften. Warum z.B. kann Skinner im selben Interview beipflichten, die Bäckerei gehöre zum Kiez – aber die Familie muss gehen? Warum darf er das ganz allein entscheiden? In Charles Skinners Neubau, in dem das Vertikal sitzt, sollen Ferienwohnungen entstehen. Warum darf Skinner allein entscheiden, dass der GloReiche Kiez Ferienwohnungen braucht, und nicht bezahlbaren Wohnraum? Haben wir es hier nicht mit einem blinden Fleck unseres demokratischen Gesellschaftssystems auf der Stadtebene zu tun: Dem Mangel an echten Entscheidungsbefugnissen der Stadtgesellschaft bei der Veränderung ihrer Nachbarschaften durch kapitalmächtige Einzelpersonen? Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist der rechtliche Schutz der Stadtgesellschaft vor dem freien Zugriff des Kapitals. Es ist allerhöchste Zeit, dass nicht nur mit dem Mieterschutz in den Berliner Kiezen Ernst gemacht wird, sondern auch endlich Mieterschutz von kieznahem Kleingewerbe installiert wird. Wohnen und Arbeiten, beides ist Milieu, nur ein ernsthafter Schutz von beidem ist echter Milieuschutz.

Und dieser ist wichtig, wenn der gesellschaftliche Widerspruch zwischen den Kiezbewohner.innen und denen, die die Kieze mit ihrer Kapitalmacht nach ihren Vorstellungen umwandeln können, einen Ausgleich erfahren soll. Je länger die Politik zögert, diesen Ausgleich ernsthaft anzugehen, umso mehr erhöht sich der Druck auf die Kieze, umso härter und umfassender schlägt Verdrängung zu, umso mehr treibt der soziale Konflikt zwischen denen, die haben, und denen, die mieten, in der Stadt der Zuspitzung entgegen. Manchmal äußert sich diese Zuspitzung in breitem Protest, zivilgesellschaftlicher Selbstorganisierung und einem Linksruck der Macht im Parlament, also politisch. So geschehen bisher in Berlin. Doch manchmal äußert sie sich auch mit Gewalt – auch das wieder neulich geschehen.

Gewalt und wem sie schadet

Gewalt – Nichts Anderes war die Aktion der Militanten gegen das Vertikal. Die in Berlin im Kontext von Gentrifizierungsprotesten immer wieder agierenden militanten Kleingruppen haben nicht nur ebenfalls andere Vorstellungen vom Kiez als die Investor.innen, sondern auch andere Vorstellungen von Protest und Widerstand als der überwiegende Großteil der organisierten Nachbar.innen. Wo die Politik versagt, das Recht zum Schutz der Gesellschaft vor der Kapitalmacht der Eigentümer.innen einzusetzen, weisen die Militanten sowohl dieses Recht insgesamt als auch die Politik zurück, die es setzt. Sie setzen der Rücksichtslosigkeit, mit welcher Investor.innen ihre Konzepte über die Interessen der Stadtbewohner.innen hinweg umsetzen, einfach ihre eigene Rücksichtslosigkeit vor deren Kapital entgegen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dass bei einem Angriff auf Fensterscheiben einer Gastronomie bei laufendem Betrieb auch Menschen zu Schaden kommen könnten, das scheint in dem Fall zumindest mit einkalkuliert worden zu sein. Das ist fahrlässig und unverantwortlich und zeigt: Die nicht-Anerkennung der allgemeinverbindlichen Institutionen von Politik und Recht eines demokratischen Gemeinwesens kann nicht nur mit der Verrohung der politischen Kultur einhergehen, sondern auch mit verminderter Wertschätzung elementarer Rechte einer solidarischen Gemeinschaft. Zum Beispiel das Recht auf körperliche Unversertheit. In Zeiten eines weltweiten Rechtsrucks darf das einfach nicht sein. Genausowenig aber darf es sein, dass militante Antikapitalist.innen als „Linksfaschisten“ betitelt werden, wie das in den sozialen Medien derzeit geschieht. Die Vermischung der politischen Kategorien stärkt nur die Falschen. Aus der Warte der echten Faschist.innen stehen wir alle links, und gegen sie stehen wir alle zusammen.

Der Angriff auf das Vertikal hat drei Geschädigte hervorgebracht. Als erstes natürlich die Familie Wagner/Spülbeck, die die Auswirkungen des Angriffs auch gleich zu spüren bekam: in Form eines Briefes betonten die Eigentümer das Scheitern jeglicher Verhandlungsperspektiven über den Verbleib des Filou in „jetzt erst recht“-Manier – obwohl sie der Familie die Perspektive auf Verhandlungen bis dato gar nicht in Aussicht gestellt hatten. Die zweite Geschädigte ist Claire D’Orsay. Sie ist durch ihre Nähe zum Investor Charles Skinner in einem eskalierten sozialen Konflikt unter die Räder gekommen. Es ist ihr großes Problem, dass ihr Name und der des Vertikal nun mit demjenigen des Verdrängers des Filou verknüpft worden sind, dessen eigenmächtiger Eingriff in den Kiez den Konflikt entfacht und dessen harte Position ihn nachhaltig verschärft hat. Sie ist nicht zuletzt darum in einer schwierigen Lage, weil ihre Abhängigkeit vom Kapitalisten Skinner auf der Hand liegt, auch wenn sie beide gleichberechtigte Geschäftsführer.innen der Betreiberfirma des Restaurants sind. Ihre Aussage, dass sie das Filou super findet, zeigt aber, dass es trotz allem wohl auch in ihr eine solidarische Nachbarin gefunden hat.

Der letzte große Geschädigte aber ist die etablierte Politik. Aktionen wie diejenige gegen das Vertikal sind Symptome einer Brutalisierung des schwelenden Konflikts zwischen denen, deren Kapitalmacht kaum rechtliche Begrenzung erfährt, und denen, die mit den sozialen Folgen zu leben haben – unter den Augen einer Politik, die es jahrelang, vielleicht jahrzehntelang versäumt hat, Politik und Recht progressiver zu gestalten, und die immer noch nicht gewillt ist (oder nicht in der Lage zu sein scheint) ihren demokratischen Gesellschaftsauftrag auch gegen die Hoheit des Immobilienmarktes in Berlin durchzuführen.

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Veranstaltung: Milieuschutz un-wirksam?! – Samstag, 10. Dezember 2016, 14.00 -18.00 Uhr

csm_milieuschutz_un-wirksam_b81e9f0315Der Milieuschutz ist derzeit in aller Munde. Berlin steuert einer Wohnungsnot entgegen und in immer mehr Bezirken werden Milieuschutzgebiete erlassen oder sind in Planung. Angesichts der steigenden Mieten, Spekulation mit Wohnraum und Verdrängung hoffen viele Mieter_innen und Initiativen auf das Instrument Milieuschutz, um die Krise auf dem Wohnungsmarkt abzumildern. Doch kann der Milieuschutz diese Hoffung erfüllen? Wann wird er wirksam? Über welche Instrumente verfügt er? Wie muss die Weiterentwicklung des Milieuschutzes aussehen – kann z.B. das Vorkaufsrecht als strategisches Instrument der wohnungspolitischen Steuerung eingesetzt werden? Auf dieser Tagung wollen wir diesen Fragen nachgehen und gemeinsam mit Initiativen, Mieter_innen und der Politik diskutieren.

Programm:

1. Podium – Die Instrumente des Milieuschutzes:

  • Sigmar Gude / Stadtsoziologe TOPOS – Einführung in den Milieuschutz. Voraussetzungen, Wirksamkeit und Grenzen
  • Jochen Biedermann / Stadtrat für Stadtentwicklung Neukölln / Grüne – Umsetzung des Milieuschutzes im Bezirk
  • Rainer Balceworiak / Fachjournalist – Zum gebietsspezifischen Mietspiegel

2. Podium – Praktische Erfahrungen aus der Mieterperspektive mit dem Milieuschutz / Berichte:

  • René Pönitz / Alt-Treptow – Erfolgreiche Realisierung
  • MieterWerkStadt Charlottenburg – Milieuschutz einfordern und durchsetzen
  • Wrangelstraße 66 – Erfolgreiche Erfahrungen mit Vorkaufsrecht aufgrund engagierter Mieter_innen
  • Friedelstraße 54 – Ungeschützt im Milieuschutzgebiet
  • Heinz Paul / Mieterberater – Praxiserfahrungen im Anwaltsalltag

3. Podium – Politische Spielräume erweitern:

  • Katrin Schmidberger / MdA – Bündnis 90 / Die Grünen
  • Katrin Lompscher / MdA – Die Linke, angefragt
  • Karin Baumert / Stadtsoziologin + Stadtaktivistin
  • Joachim Oellerich / INKW + MieterEcho

Informationen unter: http://www.bmgev.de/

Wann? – Samstag, 10. Dezember 2016, 14.00 -18.00 Uhr

Wo? – IG Metall Haus (Alte Jakobsstr. 149, 10969 Berlin), Saal, 5. OG

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