Kiez-Demo gegen Verdrängung // 25.2. – 14:00 // Heinrichplatz

 

Kiez-Demo gegen Verdrängung
Samstag, 25.2. // 14:00 Uhr
Heinrichplatz // Berlin-Kreuzberg

Infos unter: http://berlin.zwangsraeumungverhindern.org/

In Kreuzberg sind mehrere Läden akut räumungsbedroht. Der Laden Bantelmann in der Wrangelstraße, die Bäckerei Filou in der Reichenberger Straße und der Buchladen Kisch & Co sind akut räumungsbedroht. Auch M99 und das Projektehaus in der Lausitzerstraße 10 sind weiterhin gefährdet, auch wenn es erste Verhandlungserfolge gab. Bei allen Fällen ist klar, dass die Vermieter mit ihrem Eigentum mehr Profit machen wollen und deswegen die bisherigen Läden loswerden wollen. In Berlin steigen die Mieten rasant an, immer mehr Menschen, aber auch viele kleine Läden werden verdrängt. Häufig kommt es auch zu Zwangsräumungen – die gewalttätigste Art der Verdrängung.

Das Profitstreben der Vermieter verändert die Kieze. In Kreuzberg können sich häufig nur noch Restaurants oder Luxusläden die extremen Mieten leisten. In der Reichenberger Straße gibt es so z.B. keinen Bäcker mehr, das Angebot für Menschen mit geringem oder mittleren Einkommen wird geringerer. Die steigenden Mieten machen das Leben immer schwerer.

Aber viele Menschen wehren sich gegen diese Zustände. Es konnten schon einige Zwangsräumungen durch solidarische Aktionen verhindert werden. Die bedrohten Läden in Kreuzberg haben sich zusammengeschlossen und es gab eine gemeinsame Kiezversammlung. 350 Menschen kamen zur Versammlung und wollten aktiv werden gegen die Verdrängung. Nun folgt eine Demonstration zu den betroffenen Läden. Die Demo soll ein Zeichen der Solidarität senden und die Nachbarschaft informieren.

Wir bleiben alle!

Demo-Route: Heinrichplatz, Oranienstraße, Adalbertstraße, Kottbusser Tor, Reichenberger Straße, Lausitzer Straße, Wiener Straße, Forster Straße, Reichenberger Straße, Glogauer Straße, Wiener Straße, Görlitzer Ufer, Görlitzer Straße, Cuvry Straße, Wrangelstraße, Abschluss vor Bantelmann Wrangelstraße.

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Offener Brief der Nutzer*innen des selbstverwalteten Raums 004 im Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin // 22.02.2017

Sehr geehrte Stadtbewohner*innen, Stadtteilinitiativen, Nutzer*innen von selbstverwalteten Strukturen, Journalist*innen und wissenschaftspolitische Sprecher*innen,

liebe Studierende, liebe Instituts- und Hochschulangestellte,

am 10.02.17 wurde eine der zentralen Forderungen unseres Protests erfüllt: Andrej Holm bleibt Dozierender an der HU. Wir müssen jedoch ausdrücklich betonen, dass unsere weiteren Forderungen weit davon entfernt sind, Erfüllung zu finden. Aus diesem Grund ist unser Protest, der sich als stadt- und hochschulpolitisch versteht, noch längst nicht vorbei. Von Beginn an fordern wir einen Raum zur studentischen Selbstorganisierung und emanzipatorischen Vernetzung auf dem Campus Mitte der HU. Wir möchten hiermit noch einmal ausführen, was damit gemeint ist.

Seit bald fünf Wochen nun organisieren wir uns in basisdemokratischer Form selbst. Die Menschen, die sich bislang zusammengefunden haben, sind nicht damit einverstanden, dass politische Entscheidungen alleine von Hochschulleitungen und Regierungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen werden. Deshalb haben wir uns einen Raum angeeignet, der die Möglichkeit zur Selbstorganisation und Basisdemokratie bietet, der also das Gegenteil von dem ermöglicht, was wir kritisieren.

Ob hochschul- oder stadtpolitische Gruppen, ob verdrängte Mieter*innen oder prekarisierte Mitarbeiter*innen der Hochschulen: sie alle brauchen Räumlichkeiten, um die nächste Aktion für ein Recht auf Stadt und eine Uni von unten zu planen. Dieses Verständnis von Demokratie findet nicht in Parlamentssälen und Ministerial- und Senatsräumlichkeiten statt, sondern durch die Selbstorganisierung der politischen Subjekte – nämlich von unten.

Um den Raum als Ort für Vernetzungs-, Gruppen-, und Bündnisplena nutzen zu können muss er dauerhaft sein, über seine Nutzung darf nicht die Uni entscheiden und seine Gestaltung darf keinen Bedingungen von außen unterliegen. Weder der Fachschaftsraum, noch ein studentisches Café eignen sich zu diesem Zweck, da sie weder offen für alle, noch frei von Regularien und Normen der Hochschule sind. Dieser Raum soll dazu dienen, Stadt und Universität wieder zusammenzubringen, die künstliche Trennung zwischen ihnen wieder aufzulösen, um die Entstehung von kritischer Bildung und Bewegung zu fördern und gewährleisten. In ihm soll nicht nur überlegt werden, was an den aktuellen Zuständen geändert werden muss, sondern wie man diese Überlegungen aktiv umsetzt. Kurz gesagt: Wir wollen Theorie praktisch werden lassen.

Für dieses Bestreben ist auch die Lage des Raums nicht unwesentlich. Recht auf Zentralität und Recht auf Differenz sind wesentliche Bestandteile des Rechts auf Stadt. Der Bezirk Mitte gehört zu den am stärksten von Gentrifizierung betroffenen, in deren Folge viele Mieter*innen verdängt wurden. Der Raum trägt nach Mitte wieder das, was es hier kaum noch gibt: einen Raum, in dem Menschen nicht konsumieren müssen um sich dort aufzuhalten und mitzuentscheiden, sondern in dem ein solidarisches Miteinander als Voraussetzung praktiziert wird. Nicht nur eine Uni von unten kann hier fortgeführt werden, sondern auch Initiativen aus ganz Berlin können hier gemeinsam an einer Stadt von unten arbeiten. Wir wollen einen Raum inmitten des städtischen und universitären Alltagsbetriebs, der für alle, die sich kritisch mit diesem auseinandersetzen und Solidarität praktisch werden lassen wollen, ohne großen Aufwand zugänglich ist.

Deshalb rufen wir, die Nutzer*innen des selbstverwalteten Raums, sämtliche Personen, Gruppen und Institutionen dazu auf, die selbstverwaltete Struktur im Raum 004 des Instituts für Sozialwissenschaften anzuerkennen und mit allen Mitteln einer Räumung entgegenzuwirken, um somit dem grunddemokratischen Ziel der gesamtgesellschaftlichen Emanzipation nicht im Wege zu stehen!

Mit den besten Grüßen

die Nutzer*innen des selbstverwalteten Raums im Institut für Sozialwissenschaften der HU

Quelle: http://iswbesetzt.blogsport.eu/

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#iswbesetzt Stellungnahme des Fachschaftrats Sozialwissenschaften zum Ende der Besetzung des ISWs // vom 18.02.2017

Zu Dokumentationszwecken veröffentlichen wir hier die folgende Stellungnahme des Fachschaftrats Sozialwissenschaften vom 18.02.2017.

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Mit großer Freude haben wir vom Fachschaftsrat Sozialwissenschaften am letzten Freitag, dem 10.02., die Nachricht aufgenommen, dass die Kündigung von Herrn Dr. Holm zurückgenommen wurde. Zwei Tage zuvor sah es nach einer ersten Verhandlungsrunde mit der HU-Präsidentin  nicht nach einer Einigung aus, nachdem sie das Treffen lediglich zur Aussprache von Drohungen gegenüber den Besetzer*innen genutzt hatte. An dieser Stelle wollen wir gleich anmerken, sollte im Nachhinein im Kontext der Besetzung Repressalien auf Euch zu kommen: Wir stehen euch als Anlaufstelle zur Verfügung.

Wir möchten uns bei allen bedanken, die sich in den letzten Wochen vor und hinter den Kulissen für den Verbleib von Dr. Holm an der Humboldt-Uni engagiert haben. Besonders denjenigen Studierenden, die durch die Besetzung des Instituts einiges an Risiken auf sich genommen sowie jenen, die einen großen Teil ihrer Zeit in den Protest investiert haben, möchten wir danken. Wir sind beeindruckt vom Engagement und der Organisationsfähigkeit der Studierenden, die es geschafft haben über vier Wochen aus dem Stand von KüFa bis Pressekonferenz ein spannendes und kritisches Programm  auf die Beine zu stellen.

Die Besetzer*innen haben einen großen und inspirierenden Erfolg erreicht, der Mut macht, sich auch weiter hochschulpolitisch zu engagieren. Er macht Hoffnung, dass auf die kommenden Zumutungen der als „Strukturplanung“ getarnten Kürzungswelle ebenfalls mit entschlossenem Protest reagiert werden wird. Im nächsten Semester sollen im Rahmen der Strukturplanung 8% der Mittel aller Institute gekürzt werden. Dadurch wird sich die Lehrsituation weiter verschlechtern. Wir schätzen es sehr wert, dass die Besetzung durch ihren Forderungskatalog auf dieses und andere soziale Probleme hingewiesen hat und diese somit Gegenstand öffentlicher Diskussion geworden sind.

Zum anderen sind nach vier Wochen 24/7 Protest und Plenum die Kräfte der beteiligten Studierenden erschöpft. Eine Institutsbesetzung war geeignet, um Druck auf die Uni in der Causa Holm aufzubauen. Nun ist es richtig, nach dem erreichten Erfolg insbesondere in der Prüfungszeit zum universitären Alltag zurück zu kehren. Deshalb begrüßen wir das Ende der Besetzung am Donnerstag, dem 16.02.2017.

Ein Raum zur Vernetzung und zur Begegnung

Wir begrüßen in diesem Rahmen auch die Forderung seitens der Besetzung nach einem studentisch verwalteten Raum. Bereits auf dem Diverstitätstag 2015 wurde der gemeinsame Wunsch nach einem Raum der Begegnung für alle Menschen am ISW von Vertreter*innen aller Statusgruppen  geäußert. Wir hoffen, dass ein studentisch verwalteter Raum eine solche Begegnungs- und Vernetzungsmöglichkeit schaffen kann.

Die Eskalationsstrategie der Universitätsleitung, der Schaffung eine selbstverwalteten Raumes mit polizeilicher Repression begegnen zu wollen, verurteilen wir scharf. Neben der Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen, kritisieren wir v.a. die Argumentation der Unmöglichkeit von Lehrveranstaltungen und Prüfungsabnahme in dem genutzten Raum. Mit dem heutigen Tag ist Vorlesungszeit beendet, die Prüfungen zu einem Großteil geschrieben. Für die noch ausstehenden Prüfungen ist es ohne Weiteres möglich auf andere Räume auszuweichen.

Wir fordern die Universitätsleitung bzw. die Präsidentin der HU daher auf, die Räumung zu unterlassen und auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken.

Ungeachtet dessen folgt an diesem Wochenende ein Reflexionsprozess unsererseits zu den Geschehnissen der vergangenen vier Wochen. Dazu laden wir alle Interessierten zu unserem kurzfristig anberaumten Reflexionswochenende vom 17.02.-19.02. ins Café Affront (R333) im Institut für Sozialwissenschaften, Universitätsstraße 3b, ein.

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Erfolgreiche Besetzung des ISW beendet – Protest geht weiter: ISW war nur der Anfang! // 16.02.2017

Zu Dokumentationszwecken veröffentlichen wir hier die folgende Erklärung des #iswbesetzt vom 16.02.2017.

Am heutigen Donnerstag erklärten die Besetzer*innen des ISW, den Kampf für eine andere Hochschule und eine gerechte Stadtpolitik fortzusetzen, wenn auch nicht in Form der Besetzung des Instituts. Ein Raum bleibt dauerhaft unter studentischer Verwaltung.

„In vier Wochen Besetzung haben wir nicht nur erkämpft, dass Andrej Holm an der HU verbleibt. Wir haben vor allem einen Raum der Politisierung und Vernetzung geschaffen. Wir haben damit der Bewegung für eine gerechtere Stadt und eine bessere Hochschule einen starken und nachhaltigen Impuls verliehen. Die Besetzung des ISW war nur der Anfang. Wir machen weiter!“, erklärte eine Besetzerin.

Auf einer Pressekonferenz stellten die Besetzer*innen einen neuen Forderungskatalog vor. Darin wird u.a. die Rekommunalisierung von sozialem Wohnraum und Abschaffung des „leistungsbasierten Hochschulfinanzierungssystems“ für die Berliner Hochschulen gefordert. „Der Forderungskatalog wurde in einem einmonatigem Dialog erarbeitet und leistet einen wichtigen Beitrag zur hochschul- und stadtpolitischen Debatte. Doch er wird nicht ein Stück Papier bleiben. Wir werden aktiv dafür kämpfen, dass er Realität wird!“, sagte eine Besetzerin. Die Forderungen richten sich jeweils an Berliner Senat, Präsidentin sowie Akademischen Senat der HU Berlin, die Leitung des ISW sowie Mitmenschen im Allgemeinen.

Die Besetzung des Instituts erfuhr eine äußerst breite Solidarität. So formulierten die gesamte studentische Selbstverwaltung der Humboldt-Universität sowie die ASten aller Berliner Universitäten ihre Unterstützung. Zahlreiche Menschen, darunter Aktivist*innen, Professor*innen und Dozent*innen, bereicherten das Programm der „Uni von Unten“ mit Vorträgen und Workshops. Stadtpolitische Initiativen waren von Beginn Teil der Besetzung durch Beiträge zu Programm und der gemeinsamen Organisation der großen Demonstration Ende Januar. „Wir danken allen Initiativen, Organisationen und Personen, die unseren Protest und unsere Besetzung unterstützt haben. Ohne die große Unterstützung wäre all das nicht möglich gewesen!“

Während die Besetzung des Instituts beendet wird, wird ein Raum dauerhaft umgenutzt und unter studentische Verwaltung gestellt. Eine Besetzerin erklärt dazu: „Eine unserer Forderungen war von Beginn der Besetzung an ein dauerhafter Raum zur studentischen Selbstorganisierung und emanzipatorischen Vernetzung. Diese Forderung erfüllen wir heute selber. Raum 004 des Instituts für Sozialwissenschaften wird von uns verwaltet und für emanzipatorische Initiativen und Menschen geöffnet, egal ob Studierende oder nicht.“

„Mit der gleichen kämpferisch-guten Laune und der gleichen Entschlossenheit, mit der wir uns in den letzten vier Wochen diesen Raum angeeignet haben, verlassen wir ihn wieder. Wir werden für eine Weile unsichtbar. Doch mit der gleichen Entschlossenheit werden wir wieder auftauchen. Man wird von uns hören!“, schließt eine Besetzerin.

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Wie weiter nach #holmbleibt? – Beitrag der Interventionistischen Linken

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Wir veröffentlichen hier einen Text der Stadt-AG der Interventionistischen Linken, der gleichzeitig in diesem Blog und auf http://interventionistische-linke.org/ einen Beitrag zu Debatte #holmbleibt und zum Stand der Mieter*innenbewegung bildet.

Aufgaben für eine stadtpolitische Bewegung

Außerparlamentarische Linke dürfen von einer Regierung nie zu viel erwarten. Regieren bleibt Institution,  auch wenn sie sich „Regieren in Bewegung“ (Die Linke) als Motto gibt und in der Berliner Stadtregierung jemanden wie Andrej Holm als Staatsekretär ernennt. Doch größere Veränderungen werden fast immer durch Bewegungen erkämpft, ohne soziale Bewegungen dominieren die Zwänge der Institutionen, Verwaltungsvorschriften, Apparate und Lobbygruppen, die allesamt nicht auf sozialen Wandel, sondern auf Herrschaftsstabilisierung ausgerichtet sind.

Stärken und Schwächen der stadtpolitischen Bewegung

Das sieht man auch im Berliner Koalitionsvertrag von rot-rot-grün, der sowohl die Stärken als auch die Schwächen der stadtpolitischen Kämpfe der letzten Jahre offenbart. Progressive Momente lassen sich allesamt auf eine der vielen Initiativen zurückführen.
Es ist ein Erfolg, dass Inhalte wie die Unterstützung von selbstverwalteten, kommunalen Modellprojekten, der Neubau kommunaler Wohnungen oder die Ablösung der Unterbringung in echte Wohnungen für Geflüchtete im Koalitionsvertrag auftauchen. Der stadtpolitische Diskurs hat sich verschoben, weg von der Marktorientierung hin zur sozialen Aufgabe – auch wenn eine echte Selbstverpflichtung in fast allen Absichtserklärungen des Koalitionsvertrages fehlt.

Sieht man die außerparlamentarische Bewegung aber als Motor dieser Veränderungen, dann wird die Schwäche der stadtpolitischen Bewegung genauso deutlich. Denn ein Ziel und eine Strategie, die über diese Einzelforderungen und Maßnahmen hinausgeht, existiert weder im Berliner Koalitionsvertrag noch als Vision der stadtpolitischen Bewegungen. Der Mietenvolksentscheid Berlin konnte 2015  zwar erstmals strukturellen mietenpolitischen Forderungen Schwung, Schlagkraft und Focus geben – seine Abwicklung durch ein Abfanggesetz hat jedoch ein Vakuum hinterlassen. Danach ist es den stadtpolitischen Initiativen und Organisationen nicht mehr gelungen, Forderungen auf gleicher Ebene mit Druck in die Öffentlichkeit zu tragen.

Solche über Einzelkämpfe hinausgehenden Forderungen zu formulieren, zu diskutieren und mit vielen anderen dafür zu streiten, sehen wir in der IL Berlin, auch als unsere Aufgabe. Gerade jetzt unter einer rot-rot-grünen Regierung, die sich bewegungsnah gibt, auf Druck von unten zumindest reagiert – aber keine eigenen Visionen formuliert. Eine solche Vision muss aus der Bewegung kommen, bei ihrer Formulierung können wir auf viel Vorarbeit zurück greifen, von Arbeitsgruppen im Mietenvolksentscheid, bei ‚Berlin für Alle‘ und auch von ehemaligen und heutigen Mitgliedern der ‚Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau‘.
Wir finden ein außerparlamentarisches Aufbegehren bei dieser Regierungskonstellation besonders wichtig. Zum einen müssen gerade Grüne und Die Linke jetzt liefern, was sie in Wahlkampf und Koalitionsvertrag versprochen haben. Das eröffnet Räume für Veränderung. Zum anderen kann rot-rot-grün zu einer Gefahr werden, wenn als Opposition nur noch Rechtsparteien von FDP bis AfD aus dem Parlament wahrnehmbar sind.  Denn selbst bei kompletter Umsetzung des Koalitionsvertrags wird sich die Wohnungskrise verschärfen. Denn der Private Wohnungsmarkt bleibt unreguliert, 55.000 neu versprochene Kommunalen Wohnungen können die Krise nicht lösen, sondern nur abfedern. Dieses absehbare Scheitern darf jedoch nicht von Rechts vereinnahmt werden, sondern muss von Links für weiter treibende Forderungen genutzt werden

Die Ernennung von Andrej Holm zum Staatssekretär

Während wir noch über solche Forderungen nachdachten, platzte die Nachricht über die Ernennung Andrej Holms als Staatssekretär für Wohnen ins Plenum. Dies löste bei vielen von uns erstmal Sprachlosigkeit und Skepsis aus. Wir hätten ihn gern weiterhin als Teil der Außerparlamentarischen Opposition dabei gehabt. Doch er hatte sich nun anders entschieden und war in die Regierung gewechselt. Wir waren uns sicher, dass Holm versuchen würde, alles für eine soziale Stadtpolitik zu tun, waren uns aber der Grenzen bewusst. So schrieben wir in einem noch nicht veröffentlichten Beitrag für die Zeitschrift ‚LuXemburg‘:  „auch ohne die Auseinandersetzung um seine Vergangenheit [hätte Holm es] schwer genug gehabt, minimale Reformen gegen die verkrusteten Strukturen des Berliner Filz durchzusetzen. Der Machtblock aus Immobilienkapital und jahrzehntelang SPD-geführtem Wohn- und Bauressort, sitzt nach wie vor fest im Sattel“.
Hinzu kommt, dass er auf Kompromisse angewiesen wäre und es gibt nicht nur „vorgeschützte Sachzwänge in der Politik, sondern ganz reale. Wie begrenzte Finanzen oder eine unwillige Verwaltung“ (so Nicolas Šustr im Neuen Deutschland).

#holmbleibt

Doch trotz aller Skepsis war es für uns wichtig, während der Angriffe auf Andrej Holm auf seiner Seite zu intervenieren. Die Angriffe auf ihn waren ebenso Angriffe auf den erklärten Politikwechsel – die Hoffnung auf eine bevölkerungsnahe Miet- und Wohnraumpolitik sollte gar nicht erst entstehen. Offiziell ging es jedoch nicht um die Wohnungspolitik: Andrej Holm war in Ausbildung bei der Stasi gewesen und damit Teil Des DDR-Repressionsapparats. Wir als IL begrüßen eine echte Auseinandersetzung mit der DDR und ihrer autoritären Entwicklung. Der gesellschaftlichen Linken stünde es gut zu Gesicht, diese Auseinandersetzung ernsthaft zu suchen, die verkrampfte Mischung aus Ostalgie und Beschweigen wie sie in der Tageszeitung Junge Welt und bei anderen, immer noch der Orthodoxie verpflichteten Gruppen vorgeführt wird, ist ein Hindernis für linke Aufbrüche. Doch in der Auseinandersetzung um Holm war der Umgang mit Vergangenheit nur vorgeschoben. Dies zeigt schon der Fall Schabowski, der der dritthöchste Vorgesetzte von Andrej Holm war und später zum Wahlkampfgehilfen der CDU wurde. Dafür benötigte es nur eine opportunistische und kaum glaubwürdige 180° Wende: Wie er vorher die Gegner der DDR verteufelt hatte, verteufele er nun die DDR selbst und setze sie mit allen möglichen linken Alternativen gleich (Vgl. dazu das Statement der Robert-Havemann-Gesellschaft als .pdf).

Jede  Opposition versucht natürlich, Verfehlungen von Angehörigen der Regierung für sich zu nutzen. Doch im Falle Andrej Holm ging es nicht nur um einen Angriff auf die „Glaubwürdigkeit“ der Regierung, sondern darum einer Person und einer Politik zu schaden, die der „Hausbesetzerszene näher [steht] als einem Investor“ – so Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus. FDP, CDU, AfD stehen jedoch den Investoren nicht nur näher als Hausbesetzer*innen, sondern auch näher als den Mieter*innen.

Dies zeigen ihre Programme und ihre Politik überall dort, wo sie regieren oder regiert haben. Dass Sebastian Czaja zusätzlich Mitbegründer der ‚Liberalen Immobilienrunde‘ ist und der wohnungspolitische Sprecher der CDU Fraktion Matthias Brauner für den Bereich Wohnungswirtschaft bei der WL Bank zuständig ist, veranschaulicht dies.
Doch auch die SPD ist da nicht besser und nimmt gerne Spenden in Höhe von Zehntausenden Euro vom Baulöwen Groth und erlässt auch gerne Mal die Pflicht zum Wohnungsbau bei ihnen nahe stehenden Investoren. Diese Handlungen vom damaligen Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Andreas Geisel (SPD) haben es kaum zum Skandal gebracht, das spricht Bände. So ist es dann auch nicht überraschend, dass der erste SPD Abgeordnete der Holms Rücktritt forderte, Sven Kohlmeier, als Anwalt Beratung für Immobilieninvestments anbietet.

Geschichtspolitik als Instrument

Einer echten Aufarbeitung von Geschichte, Diskussionen zu Erinnerungspolitik und Verantwortung wurde mit dieser interessengeleiteten Kampagne gegen Holm ein Bärendienst erwiesen. An der ein oder anderen Stelle haben wir auch gedacht: „Oh Andrej, dass kann man jetzt aber auch in den falschen Hals bekommen“.

Doch letztendlich war der vermeintliche Stein des Anstoßes nur der, dass jemand der in der Ausbildung bei der Stasi war und dies 2007 öffentlich gemacht hat, seine Ausbildung erst als Vorbereitung für eine hauptamtliche Tätigkeit gesehen hat. Er hat also die Einschätzung nicht nach den formalen Kriterien der Staatssicherheit selbst getroffen, sondern auf Grund seiner realen Tätigkeit (Ähnliches gilt für den Vorwurf, den Wehrdienst nicht beim Wachregiment ‚Feliks Dzierzynski‘ abgeleistet zu haben. Auch hier geht es nicht um den Ort und Tätigkeit selbst, sondern um die formale Dienststelle). Zur anfänglichen Unterschätzung der Debatte hat sicher auch, beigetragen, dass viele DDR-Oppositionelle Andrej Holm sagten, dass seine Tätigkeit im Vergleich mit anderen wirklich unwichtig sei.

Doch wie kritisch man Holms Antworten auf seine Kritiker*innen auch sehen mag – deutlich wurde auch: wo es nur ging, wurde sein Wort verdreht und jeder Fehler bis aufs letzte ausgeschlachtet. Rüber kommen sollte: Andrej Holm würde sich nicht daran erinnern, bei der Stasi angestellt zu sein, er sei unglaubwürdig, nehme Opfer der DDR nicht ernst und so weiter. Die Maßstäbe, die angelegt wurden, sind unerfüllbar für jeden, der sich ernsthaft mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen will. Eine ehrliche, öffentliche Auseinandersetzung um Geschichte und eigene Verantwortung jenseits von Floskeln und auswendig gelernten Pressestatements wird es in naher Zukunft  nicht mehr geben.

Mit dem erzwungenen Rücktritt Andrej Holms als Staatssekretär und seiner Entlassung von der Humboldt Universität hat sich letztendlich die investorennahe Fraktion in Regierung und Abgeordnetenhaus durchgesetzt. Für sie ist Geschichtspolitik nur ein Mittel des Machtkampfes. Dieser Sieg ist zwar keine Niederlage der stadtpolitischen Bewegung, sondern für die ‚Die Linke‘, aber dennoch ein Problem für uns. Denn er schwächt im Regierungs- und Verwaltungsapparat genau diejenigen, die für Bewegungsforderungen empfänglich sind. Machen wir uns nichts vor: ohne solche Empfänglichkeit sind unsere Kämpfe massiv erschwert.Darum waren die Proteste gegen Andrej Holms Entlassung von Studierenden und stadtpolitischen Initiativen notwendig, um dem Immobilienkapital zu zeigen, dass wir ihren Angriff auf unsere Interessen nicht so einfach hinnehmen werden.

Vergesellschaftung von Wohnraum oder wie weiter mit rot-rot-grün?

Darum haben wir uns beim großen Treffen von Studierenden und stadtpolitischen Aktiven im besetzen ‚Institut für Sozialwissenschaften‘ für eine gemeinsame Demonstration stark gemacht. Gemeinsam protestierten wir gegen Holms Entlassung und für unsere Forderungen als stadtpolitische Bewegung. Denn die Fraktion innerhalb der Regierung, die gegen den Verwaltungsapparat eine Wende in der Wohnungspolitik durchsetzen will, ist nun auf einen Sieg angewiesen und kann es sich nicht leisten, Kritik von Mieter*innen zu ignorieren.

Die Geschwindigkeit, mit der auf die dem Koalitionsvertrag widersprechenden 21.000 Mieterhöhungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen zur Jahreswende 2016/2017 reagiert wurde, verdeutlicht das. Die Mieterhöhungswelle war mit nur einer Presserklärung sofort prominent in den Medien, der Senat in Erklärungsnot. Gleichzeitig zeigt diese Affäre, dass die Vorstände der Landeseigenen Wohnungsgesellschaften die Wohnungspolitik von Rot-Rot-Grün aktiv sabotieren. Es kann in solchen Konflikten nicht unser Interesse sein, schadenfroh am Rande zu stehen und das ganze als Beweis für die Unmöglichkeit von Reformen im Kapitalismus zu nehmen. Wir müssen Partei ergreifen für die Mieter*innen und haben ein Interesse daran, dass der Senat seine Wohnungsunternehmen bändigt und zu sozialer Mietenpolitik zwingt.Während in den Landeseigenen Unternehmen der Kampf um eine neue Politik noch tobt, fehlen auf dem Privaten Wohnungsmarkt die Instrumente, um einzugreifen. Die Zwangsräumungen gehen weiter, in der  Kreuzberger Otto-Suhr-Siedlung sollen wie an vielen anderen Orten auch, über energetische Modernisierungen die Mieter*innen vertrieben werden. Die dahinter stehende Deutsche Wohnen AG lässt ihr Mieter*innen überall in Berlin frieren, in der Lausitzer Straße kämpfen kleine Selbstständige um ihre Gewerberäume und in ganz Berlin steigen die Angebotsmieten wie nie zuvor.

Als stadtpolitisch aktive Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen müssen wir darum kämpfen, dem endlich einen Riegel vorzuschieben. Wo Rot-Rot-Grün bisher den privaten Wohnungsmarkt nicht antastet, wollen wir den privaten Markt, an dem möglichst hohe Gewinne das einzige Ziel sind, bekämpfen und durch öffentliche, gemeinnützige und selbstverwaltete Wohnungswirtschaft ersetzen. Doch für solch eine „Re-Kommunalisierung plus“ braucht es durchdachte Strukturen. Es reicht nicht, einfach nur „dagegen“ zu sein, sondern positive sozialistische Konzepte sind gefragt, um die Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes denkbar und kampagnenfähig zu machen.
Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer echten Wohnungsgemeinnützigkeit auf Bundesebene. Gleichzeitig müssen die Gewinnmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt beseitigt werden – Spekulation auf Wohnraum muss unrentabel werden. Mit einer Erhöhung der Grunderwerbssteuer, Steuern auf Luxuswohnungen und Immobiliengewinne. Nur mit dieser „Verwertungsbremse“ kommen wir der Vergesellschaftung von Wohnraum bereits vor der Enteignung einen Schritt näher.

Für uns als stadtpolitisch Bewegte bedeutet die jetzige Situationen folgendes:

  • Wir müssen unsere konkreten Kämpfe an den Orten der Verdrängung weiter führen. Nur so schaffen wir nachhaltige und ermächtigende Organisierung.
  • Wir müssen auf einer allgemeineren Ebene Forderungen und Visionen entwickeln, die nicht einfach eine Summe unserer konkreten Anliegen und Abwehrkämpfe sind, sondern diese Kämpfe perspektivisch irgendwann überflüssig werden lassen. Dies geht nur mit einem konkreten Programm für eine nicht-kapitalistische Wohnraumversorgung.
  • Um in der Offensive zu bleiben, müssen wir bis dahin alle sinnvollen Reformschritte gegen das Immobilienkapital verteidigen – ohne  uns von Senat und Parteien einspannen zu lassen. Eine „Friedenspflicht“ kann es für uns nicht geben. Stattdessen müssen wir den Rot-Rot-Grünen Senat wo es nur geht, öffentlich unter Druck setzen, ihn an seine Versprechen erinnern und mit weitertreibenden Forderungen konfrontieren. Nur so erreichen wir, dass das gemütliche Funktionieren im Apparat immer wieder aufgebrochen wird. Und nur so entstehen Räume für eine ganz andere Stadtpolitik.

Der Teilerfolg in der Causa Holm zeigt, dass solcher Druck Erfolge bringt: Noch während dieser Text entstand, wurde Holms Kündigung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität zurückgenommen. Für die stadtpolitische Bewegung ist das ein Sieg, ebenso wie für die Studierenden der HU. Die Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts, getragen von Studierenden und stadtpolitischen Initiativen, hat gezeigt dass Holms Entlassung den Forderungen nach einer anderen Wohnungspolitik nicht die Spitze gebrochen hat. In der Synthese aus Studi & Stadtprotest wurde sichtbar – die Wohnungswende ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, welches von verschiedenen Gesellschaftlichen Gruppen solidarisch getragen wird. Wir müssen diesen Schwung nutzen, unsere Forderungen systematisieren und klar machen, wie eine Stadt ohne Immobilienkapital aussehen kann.

Lasst uns zusammen dafür kämpfen!

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Veranstaltung: „… und am Ende wohnungslos?“ // Donnerstag, 16. Februar 2017, 19 Uhr

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… und am Ende wohnungslos? Mieten, Einkommen und Erwerbsarbeit in Neukölln fallen immer mehr auseinander

Eine Veranstaltung der Neuköllner Bezirksgruppe der Berliner Mietergemeinschaft

Armut in Neukölln geht uns alle an. Die drohende Gentrifizierung Neuköllns führt zum Austausch der Gebietsbevölkerung, das zeigt sich deutlich im Reuter-, Richard- und Schillerkiez. Die Schrumpfung des Mietwohnungsmarktes treibt die Mieten in die Höhe. Infolge dieser scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung wird das vertraute soziale Umfeld mehr oder weniger verschwinden.

Viele Menschen in Nord-Neukölln können aber nicht beliebige Mietsteigerungen verkraften. Bleibt bestenfalls das Zusammenrücken. Wer arm und auch noch sozial isoliert oder krank ist, kann besonders leicht aus der Wohnung herausgedrängt werden. Und aus dem Bezirk gleich mit.

Aus der Sicht von Investoren ist dieses Neukölln eine fette Beute. Der Bezirk steht weit oben auf der Berliner Armutsskala. Es ist nicht absehbar, dass die Mietsteigerungen von der Politik gestoppt oder wenigstens reguliert werden. Das behördliche Hilfesystem ist überfordert und löcherig.

Was also tun? Schauen wir uns die Sache einmal genauer an. Dazu haben wir drei Experten_innen gebeten, das Feld zwischen Armut, Wohnungsfrage und Stadtentwicklung auszuleuchten:

  • Susanne Gerull, Armutsforscherin, Alice-Salomon-Hochschule
    Armut in postfaktischen Zeiten. Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung eines sozialen und politischen Problems
  • Thilo Broschell, Teilhabe e. V. und Stadtteilaktivist in Neukölln:
    Armut hat viele Gesichter. Erscheinungsformen offener und verdeckter Armut in Neukölln
  • Nora Freitag, Sozialwissenschaftlerin; mobile Beratung „Irren-ist-amtlich“ des Berliner Arbeitslosenzentrum e. V.

Erfahrungen aus der Sozialberatung vor dem Jobcenter Neukölln. Wenn das Jobcenter auffordert, die Wohnkosten zu senken

Außerdem eröffnen wir die Wanderausstellung „Gesichter der Armut“ der AWO-MV.

Donnerstag, 16. Februar 2017, 19 Uhr,
Beratungsstelle Sonnenallee 101

Ein Themenabend der Neuköllner Bezirksgruppe der Berliner MieterGemeinschaft.

Weitere Informationen unter: http://www.bmgev.de/

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Der nächste Schritt?! – Uni von Unten und stadtpolitische Initiativen über gemeinsame Organisierungsperspektiven // 20:00 – Di. 07.02.2017

Einladung zur Debatte.

am Dienstag, 7. Februar 2017, ab 20 Uhr im besetzten Institut für Sozialwissenschaften der HU Berlin

Universitätsstraße 3b, 10117 Berlin

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Seit fast drei Wochen ist das Institut für Sozialwissenschaften der HU Berlin besetzt, ausgelöst von einer wochenlangen Kampagne gegen den kritischen Stadtforscher und Dozenten Andrej Holm und seiner ungerechtfertigten Entlassung durch HU-Präsidentin Sabine Kunst. In dieser Zeit hat sich das ISW mit politischen Leben gefüllt, mit unzähligen Veranstaltungen, Debatten, Aktionen, einer vielfältigen, gemeinsamen Organisierung.

Uni von unten – Recht auf Stadt! Die Besetzung des ISW wurde von Beginn an mit getragen von der Solidarität und Zusammenarbeit mit mieten- und stadtpolitischen Initiativen. Der Protest gegen Ökonomisierung und Prekarisierung an der Universität und die Bewegung gegen steigende Mieten, Verdrängung, und für bezahlbaren Wohnraum und eine lebenswerte Stadt für alle gehören zusammen.

Am Dienstag, den 7. Februar ab 20 Uhr, wollen wir gemeinsam mit Initiativen diskutieren, wie der nächste, gemeinsame Schritt aussehen kann. Wo hängen unsere Kämpfe zusammen, wie können wir sie weiter praktisch miteinander verbinden, und wie können wir uns gemeinsam organisieren?

Folgende Initiativen haben bisher zugesagt: Bizim Kiez, Bündnis Zwangsräumungen verhindern, Mietenvolksentscheid Berlin, Otto-Suhr-Initiative, Stadt-AG der Interventionistischen Linken Berlin, Stadt von Unten.

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Audio: Diskussion „Eine unlautere Debatte“ – Wolfhard Pröhl und Peter Neumann zur Debatte um Andrej Holm // vom 29.01.2017

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An dieser Stelle findet ihr einen Audiomitschnitt des Zeitzeugengesprächs mit Wolfhard Pröhl und Peter Neumann.

Beide waren beteiligt an der Auflösung von Stasi-Strukturen 1989/90 und in der Nachwendezeit. Peter Neumann war Mitglied  der Projektgruppe zur Stasi-Auflösung in der Verwaltung für Inneres in Berlin und Wolfhard Pröhl beteiligte sich an der Stasi-Auflösung in Dresden. Beide positionierten sich sehr eindeutig in der Debatte um Andrej Holm. In der Veranstaltung vom 29.01.2017 im besetzten Institut der Sozialwissenschaften erklären sie die damalige Situation zum Ende der DDR und auch warum es ihnen in der aktuellen Debatte so leicht fällt für Andrej Holm Position zu beziehen.

Wolfhard Pröhl und Peter Neumann – Eine unlautere Debatte

Hintergrund:

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Audio: Umgang von Robert Ide mit dem ‚Fall Holm‘ im Tagesspiegel – Podiumsdiskussion mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation) // 23.01.2017

Hier findet ihr den Mitschnitt einer Diskussion im besetzten Institut für Sozialwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation) am 23. Januar 2017.

Podiumsdiskussion mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation)


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Bemerkungen zum Umgang von Robert Ide mit dem ‚Fall Holm‘ im Tagesspiegel // Ulf Kadritzke // telegraph vom 19.01.2017

Zuerst erschienen am 19.01.2017 im telegraph

Von Ulf Kadritzke

Vorbemerkung: Im Gegensatz zu der um Differenzierung bemühten Berichterstattung im Wissenschaftsteil des Tagesspiegels und zu dem politisch wie menschlich einfühlsamen „Einspruch“ von David Ensikat (vom 21. Dezember 2016) hat Robert Ide über den ‚Fall Holm‘ auf eine Weise und in einer Sprache geschrieben, die den Tagesspiegel nicht nur – was kaum verwundert – politisch eindeutig ausweist, sondern auch journalistisch beschädigt. Im folgenden begründe ich dieses Urteil anhand einiger Artikel, ohne über das zugrunde liegende Mischungsverhältnis von journalistischer Aufklärungs- und politischer Interventionslust unangemessen zu spekulieren.

I. Vorgeschichte: Signale von Rot-Rot-Grün für eine neue Wohnungs- und Mietenpolitik und die öffentlichen Reaktionen
Den interessenpolitischen Hintergrund des Falles Holm beleuchtet zunächst in aller Offenheit Antje Sirleschtov in ihrem Tagesspiegel-Kommentar vom 12.12.2016. Er enthält sowohl (durchaus bedenkenswerte) pragmatische als auch gesellschaftspolitische Argumente, die sich übergreifend am Leitbild der Marktwirtschaft und wohnungspolitisch an den Interessen der Besitzenden und Investoren orientieren: Ein wichtiges Erfolgskriterium für den Job als Wohnungsstaatssekretär in Berlin sei „auch die Fähigkeit, Politik in Wirklichkeit überführen zu können. Beides jedoch – parteipolitische Verankerung und Erfahrung in der Führung einer Verwaltung – bringt Andrej Holm nicht mit. Ein Gentrifizierungskritiker, ein linker Aktivist, ein Wissenschaftler ist er. Einer, der Hausbesetzung als effektives Mittel zur Schaffung von Sozialwohnungen preist, leerstehende Wohnungen zwangsbelegen will und mit umfangreichen Steuersubventionsprogrammen eine baupolitische Richtung unterstützt, die in der SPD kritisiert und in der Wohnungswirtschaft zu munteren Kontroversen führen wird. Hier liegt die Gefahr seiner Ernennung und nicht in seiner Stasi-Vergangenheit.

Problem: Derartige Zweifel sind der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in der ‚Mieterstadt‘ Berlin nicht so recht schmackhaft zu machen. Als weit hilfreicher erweist sich demgegenüber der Rückgriff auf die Vergangenheit des designierten Staatssekretärs. Robert Ide geht einen Tag später (am 13.12.2016) den Fall von dieser, mehr Erfolg versprechenden Seite an, zumal die Person des Kandidaten dieser Diskussion Nahrung bietet; auch wird rasch offenbar, dass sich niemand in der neuen Koalitionsregierung auf die abzusehende Auseinandersetzung vorbereitet hat.
Der Redakteur des Tagesspiegels wohl. Unter der Überschrift „Berlins neuer Staatssekretär und die Stasi“ springt Robert Ide in die politische Bresche und verknüpft Vergangenheit und Gegenwart des designierte Staatssekretärs auf eine intellektuell abenteuerliche, suggestive, vor allem aber wirksame Weise. Zur Person behauptet er vorab: „Anders als bei vielen anderen Ostdeutschen kommt es bei Holm nicht zur biografischen Wende. Holm, der mit dem Zusammenbruch seines Staates auch seine Arbeit los ist, findet Halt im linken Berliner Milieu.“
Diese ideologische Konstruktion einer vorgeblichen Kontinuität wird 1:1 auf die Biographie von Holm angewandt – ein Verfahren, das gegenüber den Karrieren vieler alter ‚Blockflöten‘ in den westlichen Parteien nach 1989 weit seltener zum Zuge kam. Das liest sich dann so:
„Antikapitalistisch – diese Haltung war zu Mauerzeiten staatstragend im Osten, subversiv im Westen. Für einen wie Holm, den die Zeitläufte von Hier ins Dort schleudern, erlaubt das die Fortschreibung der eigenen Biografie mit Überzeugung.

Die These von der bloßen „Fortschreibung der eigenen Biographie“ mit der alten „Überzeugung“ ist einerseits (nimmt man auch nur das taz-Interview mit Holm vom 14.12.2007 zur Kenntnis) schlicht falsch, andererseits bestens geeignet, Holms seit langem bekanntes gesellschaftspolitisches und wissenschaftliches Engagement in der vereinigten Bundesrepublik in Misskredit zu bringen. Welche schlichten, aus dem historischen Kontext gerissene Argumente und politischen Reflexe in dieser Absicht bedient werden, führt Ide vor, wenn er eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle und soziale Ausrichtung der Wohnungspolitik in die Nähe von Stasi-Überwachungsmethoden rückt und mit dieser willkürlichen Verknüpfung zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen versucht. Wie geschieht das? Zunächst scheint es ihm nur um die Mietenpolitik und ihre Erfolgschancen zu gehen:
„Sind von Holm also die Zwangsbelegung von Wohnungen und andere Eingriffe ins Eigentum zu erwarten? Soweit die staatlichen Mittel es tragen: Ein „gut aufgestelltes Wohnungsamt“ könne klare Signale an ‚rein renditeorientierte Investoren‘ senden, sagte er mal bei einer Veranstaltung der Linken, nämlich dass ‚in Berlin zu investieren heißt, ein Risiko einzugehen.‘ Werkzeuge dazu haben die Verwaltungen: Das Vorkaufsrecht auf Wohnhäuser, die Regulierung von Sanierungsumfang und Miethöhe in Milieuschutzgebieten sowie die Gesetzgebung gegen die Zweckentfremdung.“
Aber die dann ins Spiel gebrachte politische Vergangenheit des designierten Staatssekretärs als Jugendlicher nutzt Ide, um die angekündigte Wohnungspolitik mit der Person zu verrechnen und sie als vermeintlich schlüssige, der Demokratie abträgliche Fortsetzung des Holmschen Wirkens auf einem neuen Feld zu diskreditieren. Der Zusammenhang ist perfide konstruiert, schafft Raum für mannigfache Assoziationen und liest sich so:
„Wenn nur genügend offizielle und inoffizielle Mitarbeiter zum verschärften Überwachen und Strafen bereit stehen, könnte so mancher in der Ferienwohnungsindustrie bald aufheulen.“
Erst mit diesem direkt auf die Person Holm zielenden, auf die Kraft des Verdachts setzenden Artikel vom 13.12.2016 verhilft Robert Ide dem wohnungspolitischen Kommentar seiner Kollegin Sirleschtov vom 12.12. 2016 zu der Wirkung, die den Interessen der privatwirtschaftlichen Investoren auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht abträglich sein dürfte. Ide ist den ‚Fall Holm‘ von der einzig erfolgversprechenden Seite her angegangen, die dann im weiteren Verlauf den politischen Diskurs und die Entscheidungsabläufe bestimmen wird.

II. Robert Ides Umgang mit Holm im Kontext der Regierungsbildung
Das damit eröffnete publizistische Kampffeld bearbeitet Ide in der Zeit nach der Ernennung Holms zum Staatssekretär weiter, mit wachsender Intensität. Einige Artikel stechen in Inhalt und Wirksamkeit besonders hervor und seien im folgenden kommentiert.

1) Erhellend und interessant ist ein Vergleich zwischen zwei Versionen der Berichterstattung über das Streitgespräch zwischen Holm und dem Zeithistoriker Kowalzcuk vom 6.1.2017. Der erste Online-Bericht von Robert Ide vom 6.1.2017 (digital um 20:22) unterscheidet sich erheblich von der Druckfassung seines Artikels im Tagesspiegel vom 7.1.2017 (digital um 9:29).

1a) Im ersten Online-Bericht vom 6.1.2017 diente als Überschrift das Holm-Zitat:
„Ich war Teil eines Unterdrückungsapparats“.


Im Text selbst wird Holm eingangs mit den zwei Sätzen zitiert:
„Ich bin mir heute bewusst, dass ich Teil eines Unterdrückungsapparats war“,
und:
„Ich weiß, dass die Debatte für die Opfer des Systems schwer erträglich ist.“

1b) Diese beiden Sätze kommen im zweiten Bericht (7.1.2017, 9:29) und im gedruckten Tagesspiegel vom 7.1.2017 gar nicht mehr vor. Als politisch ‚einstimmende‘ Überschrift dient nun ein anderer, in der abendlichen Veranstaltung auch kritisch diskutierter Satz von Holm:
„Man erinnert sich an das, an was man sich erinnert.“
Damit setzt Ide in seinem zweitem, dann gedruckten Artikel von vorneherein einen anderen Akzent. Seine Wiedergabe der inhaltlichen Diskussion beginnt nicht etwa mit den in der Erstfassung zitierten, selbstkritischen Zitaten von Holm, sondern mit einer grobschlächtig abwertenden, subjektiven Darstellung des Geschehens. Sie kommt als Selbstentlarvung von Holms ‚eigentlichem‘ Charakter daher, in Wahrheit jedoch einer Vorverurteilung gleich:
„Holm, mit Sakko und offenem Hemd, ging den Abend in relativ lockerem Plauderton an. Zum Einstieg bezeichnete er die Debatte um seine Person und auch den Diskussionsabend selbst als ‚interessante Erinnerungsarbeit’“.

Kommentar: Es bleibt unerfindlich, was an den beiden noch in der ersten Internet-Version zitierten Aussagen, aber auch, was an dem in der zweiten Fassung zitierten Satz von Holm im ‚Plauderton‘ gehalten sein soll.

2) Auffällig ist auch Ides im ersten Artikel schon geäußerter, im zweiten Artikel (7.1.2017, 9:29) wiederholter selbstbezüglicher Journalistenstolz auf die ‚krisenauslösende‘ Rolle des Tagesspiegels:
„Nachdem der Tagesspiegel diesen Umstand (d.h. Holms falsche Angabe in der HU-Akte) öffentlich gemacht hatte, provozierte die Geschichte den ersten Koalitionskrach …“.

Kommentar: Hier ist die Regel, dass man sorgfältig recherchieren und im Erfolgsfall die öffentliche Wirkung schweigend genießen sollte, grob missachtet.

3) In dem zweiten, im Ton gegenüber Holm deutlich verschärften Druckartikel (7.1.2017, 9:29) fällt auf:

3a) Ide hebt an dem Beitrag des Historiker Kowalczuk vor allem dessen Schlussfolgerung heraus, „… bei der Stasi-Bezirksverwaltung habe Holm sicher nicht nur Betriebsberichte verfasst, sondern auch Spitzelberichte lesen müssen.“
(Diese These wird in einem späteren Artikel (am 16.1.2017) weiter ausgebaut und verschärft, s.u..)
Demgegenüber ist Ide das Urteil, das der Historiker Kowalczuk in der fraglichen Diskussion zum Ausdruck brachte: ein Staatssekretär Holm sei eigentlich auszuhalten, nicht einmal eine Randbemerkung wert.

3b) Im weiteren betreibt Ide die scheinpsychologische Beschreibung von Holm als eines kühlen Heuchlers, der schließlich nervös wird:

„Als die Debatte des Abends nach einer guten Stunde damit um den entscheidenden Punkt auch der gesamten öffentlichen Debatte kreiste, die Glaubwürdigkeit von Holm, zeigte der hartnäckig Befragte durchaus Nerven.

Kommentar: Das „durchaus“ suggeriert: Einer wie Holm ist normalerweise kaltblütig, aber jetzt zeigt er erstmals „durchaus Nerven.“ Im übrigen unterschlägt Ide in seinem Bericht, dass er selbst zu den „hartnäckig Fragenden“ gehörte und insofern hier seine Rolle als Fragender mit der des Berichterstatters vermischte.

3c) Eine weitere grobe Stichelei von Ide:
„Holm beruft sich in Bezug auf seine falschen Angaben auf Erinnerungslücken. Doch aus seiner für Medien freigegeben Stasi-Akte, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass Holm auch an einer Schulung für seine Offizierslaufbahn teilgenommen hat …“

Kommentar: Dieses „doch“ ist sprachlogisch irrig, denn eigentlich müsste es etwa heißen: „Das (nämlich die Erinnerungslücke) gilt auch für die Aussagen in der dem Tagesspiegel vorliegenden Stasi-Akte….“. Das eingefügte „doch“ erfüllt hingegen lediglich den Zweck, die Glaubwürdigkeit von Holm durch einen scheinbar weiteren Widerspruch in Frage zu stellen – und sei es durch einen vom berichtenden Journalisten selbst produzierten.

III. Die weitere Demontage von Holm nach dessen Rückritt…
vollzieht sich in zwei Tagesspiegel-Artikeln vom 16.1.2017 (von Hackenbruch/Ide, digital um 14:18, von Ide allein um 21:51), deren Zitate im folgenden mit Kommentaren versehen sind.

4) Am 16.1.2017 (14:18) und in der Druckausgabe vom 17.1. 2017 fallen folgende Passagen auf:

4a) Die Überschrift zum Bericht über Holms Rücktrittserklärung begnügt sich nicht mit der Auskunft über das aktuellen Ereignis, sondern lautet streng parteilich:
„Andrej Holm tritt zurück und sieht die Schuld bei anderen.“

Kommentar: Das liest man so bei anderen Rücktritte eher selten.

4b) Der Bericht greift nochmals die vermutete Verschleierungsstrategie von Holm auf:
„… erst weitere von der Stasi-Akten-Behörde freigegebene Unterlagen zeigten zuletzt, dass Holm bereits einen Schulungskurs für seine Offizierslaufbahn absolviert hatte; dass er also wusste, auf welche Karriere er sich da einließ.

Kommentar: Der Hinweis auf diesen ‚Beweis‘ soll suggerieren: Holm wusste es, aber er verschleierte es die ganze Zeit über. Der Satz unterschlägt, dass Holm schon am 14.12.2007, also ca. zwei Jahre nach der falschen Angabe gegenüber der HU, in einem taz-Gespräch äußerte:
„Ich hatte damit ein unreflektiertes oder wie man damals gesagt hätte, klassenbewusstes Verhältnis zur Staatssicherheit. Deshalb hatte ich mich dafür entschieden, dort selber eine längerfristige Laufbahn einzuschlagen. Im Nachhinein bin ich extrem froh darüber, dass mir die Wende diese Zeit erheblich verkürzt hat.“

4c) In ihrem Bericht bauen Hackenbruch und Ide – hier ohne Quellenangaben, tatsächlich jedoch im Rückgriff auf eine Vermutung von Kowalczuk, die dieser schon am 6.1. im Streitgespräch geäußert hatte – den Verdacht über Holms Tätigkeit als 19-Jähriger weiter aus:
„Und es gab Gerüchte, Holm habe doch nicht nur in einer Stasi-Schreibstube gesessen, sondern sei im stürmischen Wendeherbst auch selbst in Betriebe und möglicherweise noch zu anderen oppositionellen Brennpunkten geschickt worden, um eigenhändig Berichte zu schreiben.

Kommentar: Der Hinweis auf „Gerüchte“ suggeriert weitere Quellen als nur die Vermutung von Kowalczuk. Das journalistisch abwägende „möglicherweise“ steht in auffälligem Kontrast zur tatsächlichen Schwere („eigenhändig Berichte … schreiben“) des dahin geraunten Verdachts.

4d) Die weitere Umwandlung der Vermutung in einen ernsten Verdacht betreiben Hackenbruch/Ide mit einem bewährten journalistisches Mittel, das besondere Sorgfalt vorspiegelt:
„Nachfragen des Tagesspiegels dazu, gestellt am vergangenen Donnerstag, ließ Holm bisher unbeantwortet.“

Merke: Wer nicht antwortet, macht sich vollends verdächtig.

4e) Der Artikel von Hackenbruch/Ide endet – ohne journalistisch gebotene Gründe – mit einer Einschätzung aus dem Munde des AfD-Spitzenpolitikers Pazderski: „Diese Koalition ist eine Zumutung für die Wähler.“

5) Am 16.1.2016 (digital um 21:51) und in der Druckausgaben vom 17.01.2017 berichtet Robert Ide über den Verlauf einer von Andrej Holm nach seinem Rücktritt einberufenen Versammlung vom selben Abend.

5a) Das politische ‚Milieu‘ und die Persönlichkeit des Zurückgetretenen werden u.a. so umrissen:
„Er hat noch viele Fans.“
„Holm nutzte das Forum, die Mieter-Aktivisten der Stadt … weiter um sich zu scharen.“
„Andrej Holm scheint sich schnell wieder neu zu organisieren – in seinem alten Milieu.“

Kommentar: Wer auch nur einmal Andrej Holm über die Probleme hat sprechen hören, die ihn bewegen, kann über diese Beschreibung – Holm als eitler Individualist mit dem Bedürfnis, „Fans“ zu haben, andere „um sich scharen“ und sich in einem eigenen „Milieu (zu) organisieren“ – nur den Kopf schütteln. Ides Sprache, die eher dem ‚Milieu‘ des Sports und der Events („Er hat noch viele Fans“) entstammt, enthüllt vor allem seine Blindheit gegenüber einem politischen Handeln, das sich einmal nicht aus individuellen Interessen oder einem persönlichen Geltungsbedürfnis speist.

5b) Fairerweise flicht Robert Ide in seinen Bericht einen Satz über die Rolle seiner Zeitung ein, der allerdings auch darauf hindeutet, dass er seinen eigenen Beitrag zum politischen Geschehen keineswegs als gering erachtet:
„Das Publikum hatte für Holms Rücktritt sowieso andere Schuldige ausgemacht. So wurde ein Baufilz in der SPD beklagt, ebenso das schlechte Krisenmanagement der Koalition und der Linken. Mehrere Redner kritisierten auch die Medienberichte insbesondere des Tagesspiegels über Holms Stasi-Vergangenheit.“

IV. Gibt es Alternativen der Berichterstattung im Fall Holm?
Die taz hat in ihrer Berichterstattung und in ihrer Kommentierung (durch das Nebeneinanderstellen von Pro und Contra) gezeigt, wie eine kontroverse Frage informativ und fair behandelt werden kann. Und das folgende Beispiel einer kritisch abwägenden Kommentierung stammt nicht zufällig aus dem entfernten München: Jens Schneider schreibt in der Süddeutschen Zeitung vom 17.1.2017, ohne die Fehler auf der Seite aller Beteiligten unter den Teppich zu kehren:
„Vielleicht ist es ein interessanter Gedanke, sich mal zu fragen, wie man in zwanzig Jahren auf diese bizarre Episode der Berliner Politik zurückblicken wird: Ein 46-jähriger Mann muss als Staatssekretär aufgeben, weil er als junger Erwachsener eine Karriere bei der Stasi begonnen hatte. Dass er bereut und dass er sich entschuldigt, es hilft ihm vor den Augen seiner Kritiker nicht. Wird man die Maßlosigkeit der Debatte mit dem Abstand der Jahre erkennen?“
Die Historikerin Marion Detjen hat anlässlich des Falls Holm in ZEIT-Online vom 16.1.2017 auf einen leichten und einen schweren Weg der Aufarbeitung hingewiesen:
„Nichts ist so leicht politisch zu instrumentalisieren wie eine „Biografie“. Den Einzelnen, mit seinem vorwärts gelebten und rückwärts gedeuteten Leben, lässt man auf dem Feld der gegenwartsbestimmten Interessenskonflikte ganz schnell symbolträchtig über die Klinge springen. Verantwortungsvoller, wenn auch schmerzhafter für alle Beteiligten wäre es, die Interessen offenzulegen und auszuhandeln, nach den Strukturen zu fragen, die die einen belasten und die anderen entlasten, und Zurechenbarkeiten herzustellen.“

Diesem nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch journalistischen Anspruch ist der Tagesspiegel, soweit Robert Ide die Feder führte, nicht nur nicht gerecht geworden, er hat ihn in der Missachtung wesentlicher Sorgfaltsregeln beschädigt.
Rerum cognoscere causas („Die Ursachen der Dinge erkennen“) sieht anders aus.

19.1.2017


Ulf Kadritzke (* 21. März 1943 in Rosenberg) ist ein deutscher Soziologe.

Kadritzke studierte Soziologie an der FU Berlin. Von 1968 bis zu seiner Promotion 1974 war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie in Berlin, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI). Von 1976 bis zu seiner Pensionierung 2008 war er Professor für Industrie- und Betriebssoziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. (Wikipedia)

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