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Der Mietenvolksentscheid: Bewusstsein für Bewegung?

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Bewusstsein für Bewegung?

Die Initiative um den Mietenvolksentscheid wird nach den Verhandlungen mit dem Senat ihr eigenes Vorhaben voraussichtlich zugunsten eines neuen „Wohnraumversorgungsgesetzes“ aufgeben. Sowohl innerhalb der Initiative als auch außerhalb sorgt diese Entwicklung für heftige Kritik. Ein großer Teil der Gruppe dagegen sieht das Ergebnis überwiegend als Erfolg an. Abseits der fachlichen Diskussion, ob das Gesetz in seiner Form sinnvoll ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Entwicklung des Volksentscheids innerhalb der außerparlamentarischen stadtpolitischen Bewegung umgegangen wird.

Wir haben mit unserer Initiative innerhalb eines Jahres die Wohnungs- und Mietenpolitik in dieser Stadt so stark beeinflusst, wie keine andere Initiative, Gruppe oder Partei in den letzten Jahrzehnten. Das ist ein Grund stolz auf unsere Arbeit zu sein. Natürlich haben wir damit auf die Vorarbeit unzähliger Gruppen und Einzelpersonen aufgebaut. Wir haben aber diese Vorarbeiten zusammengefasst und mit dem Instrument des Volksbegehrens die Unterstützung der Bevölkerung organisiert. Erst diese Kombination hat die Politik zum Nachgeben gezwungen.“ (Ein Sprecher des Berliner Mietenvolksentscheids in einer Email an den Aktivenverteiler)

Der Funktionär spricht

Der Sprech des Sprechers ist der des Funktionärs. Wer selbst einmal Mitglied einer Partei war, erkennt die typischen Muster. Das eigene Handeln wird der Gefolgschaft verkündet, ganz nach Parteimanier wird in einem weiteren Satz eine Diskussion der Ergebnisse in Aussicht gestellt, was den Anschein basisdemokratischer Entscheidungsfindung erweckt. Dabei ist klar, dass die Ergebnisse bereits verhandelt sind. Zwischendurch klopft man sich für die historische Leistung auf die Schulter und bedankt sich bei allen fleißigen Wahlkämpfer*innen.

Da nützt es auch nichts, wenn man gnädigerweise auf die Vorarbeit anderer hinweist. Denn auch da offenbart sich ein hierarchisches Politikverständnis. Einer wie der Sprecher musste erst kommen, um das ganze Protest-Kuddelmuddel so zusammenzusetzen, dass etwas Handfestes daraus wird. Ein Volksentscheid, der von dieser Denkweise geprägt wird, konnte nie ein Volksentscheid einer Bewegung sein.

Als Bewegung kann hier eine bunte Landschaft außerparlamentarischer stadt- und sozialpolitischer Initiativen gelten, die seit Jahren viel Wind rund um die Themen Wohnen, Verdrängung und städtische Armut machen – nicht immer zusammen, auch mal im Streit, aber dennoch aus einem gemeinsamen Verständnis heraus, von unten für eine andere Stadt zu kämpfen. Ein Volksentscheid hätte durchaus ein Projekt werden können, das so einer Bewegung Kraft und Mobilisierung verleiht. Er ist es aber nicht geworden. Wie seine Zukunft aussieht, hängt auch davon ab, ob innerhalb der Initiative ein Umdenken stattfindet.

Am Anfang waren Vertrauen und Versprechen

Dem Berliner Mietenvolksentscheid wurde von Anfang an viel Vertrauen und solidarische Kritik entgegengebracht. Wohl wissend, dass so ein Projekt große Auswirkungen auf alle Gruppen und Initiativen sowie auf den umkämpften Raum der Stadt haben kann, war der Tenor: Lasst sie mal machen, die machen das schon okay. Entgegengesetzt ließen die bewegungsnahen Mitglieder der Volksentscheid-Initiative wissen: Keine Panik, das ist ein Ding der Bewegung, uns geht es hier um mehr als bloße Gesetzesänderungen.

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