Solidaritätserklärung mit Baumbesetzungen gegen Autobahn-Wahn

Artikel übernommen von http://hambacherforst.blogsport.de/

In den letzten Wochen wurden gleich an zwei verschiedenen Orten in Europa Bäume besetzt, die dem Bau von Autobahnen zum Opfer fallen sollen. Am 22. Dezember besetzten Aktivist_innen in Bexhill, England Bäume gegen den Bau der Bexhill-Hastings Link Road und haben nun schon ein ganzes Camp errichtet. In Berlin besetzten Freiraumaktivist_innen gemeinsam mit Umweltaktivist_innen Bäume gegen die A100 die mitten durch Berlin gebaut werden soll. Wir, die Besetzer_innen vom Hambacher Forst solidarisieren uns mit diesen Kämpfen und rufen zu einer praktischen Unterstützung auf, zu einer Vernetzung der entstehenden Widerstandsorte untereinander und dazu viele neue solcher Orte zu schaffen.

Die Anti-Road Bewegung in Großbrittanien in den 90er Jahren, die als Antwort auf die neoliberale Infrastruktur-Politik von Margeret Thatcher („there is no alternative“) folgte, war eine der stärksten sozialen Umweltbewegungen der letzten Jahrzehnte in Europa. Aus ihr heraus entwickelten sich viele neue Aktionsformen: Die Baumhausdörfer, mit spezialisierten Blockadetechniken an den Orten wo die Straßen gebaut werden sollten, die „critical masses“ und „reclaim the streets“-Partys als Rückeroberung der Städte gegen den Autowahn, und generell ein Politikverständnis der „direct action“ als selbstermächtigende, dynamische Politikform von unten. Auch die radikale Klimabewegung in Großbritanien, die sich nach der Jahrtausendwende ausbreitete und Klimabewegungen in ganz Europa inspirierte, hatte ihre Wurzeln in dieser Anti-Road-Bewegung.


Digger Dinving in Combe Haven

Nun, über 20 Jahre später, plant die Regierung in Großbrittanien ein neues umfassendes Straßenbauprogramm (während gleichzeitig massive Sozialkürzungen durchgepeitscht wurden). 1244 Kilometer neue Straßen sind geplant. Durch die Bauaufträge, sowie die verbesserte Infrastruktur wird erhofft die Wirtschaft aus der Krise zu stoßen. Gleichzeitig bringen neue Straßen aber auch immer mehr Autoverkehr mit sich, und so sind es Projekte wie dieses, die auch das globale Klima immer näher an die „tipping points“ stoßen. Aus diesem Grunde haben Aktivist_innen am 22. Dezember Plattformen in Bäume gehängt, die für die Bexhill-Hastings Link Road gerodet werden sollen. Bexhill befindet sich zwischen Dover und Brighton. Inzwischen gibt es sogar einen „fully operational“ Blockadetunnel!


Kalt und direkt: Baumbesetzung in Berlin

Zwei Wochen später, machten es Aktivist_innen in Berlin nach, und besetzen Bäume in Neukölln um Widerstand gegen den Bau der A100 zu leisten. Interessant an dieser Aktion finden wir, dass sie von Freiraumaktivist_innen zusammen mit Umweltaktivist_innen durchgeführt wurde. Viel zu selten verbindet sich der Widerstand gegen die verschiedenen Antagonismen des Kapitalismus – den sozialen und den ökologischen – in gemeinsamen Aktionen. Wobei genau das dringend notwendig wäre: Der herrschende Diskurs will uns weis machen, dass Klima- oder Umweltschutz nur mit Verzicht zu haben sei. Das Gegenteil ist der Fall: Durch die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsweise würde gleichzeitig sehr viel unsinniger Ressourcenverbrauch wegfallen, während ein selbstbestimmtes Leben und eine freie Entfaltung erst möglich würde. Nehmen wir nur einmal den Fordismus als Siegeszug des Autos in den Städten: Nicht ein Bedürfnis nach Automobilen war der Beginn des Massenkonsums dergleichen, sondern eine Auto-ritäre Stadtplanung, die nach den Konzepten des Hitler-Freundes Ford, bewusst die verschiedenen Bereiche Arbeit, Wohnen und Konsum soweit auseinanderlegte, dass ein Leben ohne Auto immer schwerer wurde. So wurde zwar nicht die Zeit kürzer, die Menschen täglich für Ortswechsel aufbringen mussten, aber die Städte waren auf einmal voll mit diesen stinkenden Blechkisten und beeinträchtigten das Leben in der Stadt fundamental – eine Beeinträchtigung des Lebens bei höherem Energieverbrauch war das Ergebnis. Eine entgegengesetzte Entwicklung muss das Ziel emanzipatorischer Umweltkämpfe sein, genauso wie dasjenige sozialer Kämpfe, die das akute Klimaproblem vor dem wir stehen nicht einfach ausblenden.

Wir brauchen dringend eine radikale und schlagkräftige Klimabewegung und zwar weltweit. Wir sehen dabei einige positive Ansätze. So zum Beispiel die Auseinandersetzungen der letzten Monate in La ZAD gegen einen „grünen“ Flughafen, der gebaut werden soll. An den Mobilisierungen beteiligten sich zeitweise 40 000 Aktive. Wir brauchen solche Kristallisationsorte, an denen erfahrbar wird, was alles möglich ist – und dann muss dieser Widerstand in die Fläche getragen werden und hunderte weitere Kristallisationsorte müssen aus dem Boden sprießen, die wiederum andere inspirieren u.s.w.


Widerbesetzungsdemo in la ZAD

Wir rufen dazu auf diese neuen Besetzungen in Bexhill und Berlin mit praktischer Hilfe zu unterstützen, genauso wie wir dazu aufrufen unsere Besetzung am Rande des Hambacher Forstes mit praktischer Hilfe zu unterstützen. Wir rufen aber auch dazu auf selber viele neue solcher Orte zu schaffen, die es braucht als Kristallisationsorte des Widerstandes. Orte an denen Menschen zusammenkommen können, Dinge planen können, aber auch schon in der Art und Weise des Lebens und der neuen Organisierung erahnen können, was für eine Welt möglich wäre jenseits von Kapitalismus und Herrschaftssystemen.

Und wir rufen dazu auf sich unter diesen Orten stärker zu vernetzten – denn die Strohfeuer die derzeit hier und dort auflodern müssen sich verbinden zu einem Flächenbrand – ein Flächenbrand der Undurchsetzbarkeit all dieser Projekte.


Plattformen im Hambacher Forst – inzwischen leider geräumt

act – before it’s too late!

Letter of solidarity with tree-occupations against road-buildings

During the last weeks, at two different locations in Europe, trees have been squatted that would fall prey to the construction of motorways. On December 22nd, activists in Bexhill, England occupied trees against the construction of the Bexhill-Hastings Link Road and have erected an entire camp now. In Berlin, free-spaces-activists, together with environmental-activists occupied trees against the A100 that is to be built through the middle of Berlin. We, the squatters from the Hambach Forest stand in solidarity with these struggles and call for a practical support and for the creation of a network of these emerging spaces of resistance with each other and the creation of many new spaces like these.

The anti-road movement in the UK in the 90s, which followed in response to the neoliberal infrastructure policies of Margaret Thatcher („there is no alternative“), was one of the strongest social and environmental movements of recent decades in Europe. Out of it many new forms of action developed: The tree house villages, with specialized blockading techniques at the sites where the roads should be built, the „critical masses“ and „reclaim the streets“ parties as reclaiming the cities against the car craze, and a general political understanding of „direct action“ as a self-empowering, dynamic form of politics from below. Even the radical environmental movement in Britain, that spread after the turn of the millennium and inspired climate movements all over Europe, had its roots in the anti-road movement.

Now, over 20 years later, the government in the UK is planning a new comprehensive road-building program (while massive social cuts were pushed through). 1,244 km of new roads are planned. Through the constructions, as well as improved infrastructure, they hope to push the economy out of the crisis. At the same time new roads also bring more and more traffic with it and so it’s projects like these which also push the global climate closer to the „tipping points“. For this reason, on December 22nd, activists hung platforms in trees to be felled for the Bexhill-Hastings Link Road. Bexhill is located between Dover and Brighton. There is even a „fully operational“ blockade tunnel!

Two weeks later activists occupied trees in Berlin, Neukölln, in order to resist the construction of the A100. We think the interesting thing about this action is that it was carried out by free-spaces-activists together with environmental-activists. Far too rarely the resistance against the various antagonisms of capitalism – social and environmental – combines in joint operations. Exactly where it would be needed urgently: The dominant discourse wants us to believe that climate or environmental protection is only to achieve with renunciation and personal consumer choices. The opposite is the case: By overcoming the capitalist system, much of the senseless consumption of resources would disappear, while a self-determined life and a free development would become possible. Let’s take Fordism as a triumph of the cars in the cities: Not a demand for automobiles was the beginning of mass consumption of the like, but a car favouring urban planning, that according to the concepts of the Hitlerfriend Ford, consciously put the different areas of work, housing and consumption so far apart that a life without a car has been more and more difficult . So the time that the people had to use for changing locations wasn‘t getting shorter, but at once the cities were filled with this stinking metal boxes which affected the lives in the city fundamentally – a deterioration of life with higher energy consumption was the result. An opposite trend should be the goal of emancipatory environmental struggles, the same as that of social struggles, that don‘t close their eyes in front of the acute climate problem we are facing.

We urgently need a radical and powerful climate movement all over the world. We see some positive signs. For example, the conflicts of the last months in La ZAD/France against a ‚green‘ airport to be built. In mobilizations temporarily 40 000 activists participated. We need such cristallization places where we can experience what’s possible – and then we have to spread this resistance and hundreds of other crystallization places must sprout from the ground, which in turn inspire others.

We appeal to support these new occupations in Bexhill and Berlin with practical help, just as we call to support our occupation at the edge of the Hambach forest with practical assistance. But we also call out to you, to create many new such places yourself, that it takes as focal sites of resistance. Places where people can come together, are able to plan things, but also to guess what kind of world would be possible in the new way of life and organization, beyond capitalism and domination systems.

And we call out to link those places of resistance – because the straw fires that currently flare up here and there have to connect to a wildfire – a wildfire of the unenforceability of all these destructive projects, whether roads, pipelines or open cast mines.

act – before it’s too late!

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