#Adventskalender – Türchen 24b: Die Sanierungslüge des Senats – Beispiel GESOBAU

Häuser über Jahrzehnte verfallen zu lassen, Instandhaltung und Instandsetzung zu vernachlässigen, gezielte Verweigerung nötiger Reparaturen, bewusste Unfreundlichkeit und Schikane bis hin zu jahrelanger Zermürbung, die sogar zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann: solche Methoden der schleichenden Entmietung kennen vielen aus der privaten Immobilienwirtschaft, sei es durch eigenes leidvolles Erleben, Erzählungen aus dem persönlichen Umfeld oder durch die Medienberichterstattung. Typisch für diese Form der Spekulation mit Immobilien ist auch, die einmal entmieteten Wohnungen dann über Jahre oder sogar Jahrzehnte leer stehen zu lassen.

Gemeinhin würde man annehmen, öffentliche Unternehmen und Wohnungsbaugesellschaften im Eigentum des Landes Berlin würden auf „dem Markt“ ein Gegengewicht bilden und niemals derartige Methoden bei der Bewirtschaftung ihrer Häuser anwenden. Auch würde man nicht vermuten, öffentliche Wohnungsbauunternehmen könnten die Häuser zu großen Teilen leer stehen und sukzessive verkommen lassen, da das öffentliche Unternehmen durch diese Vorgehensweise ja ihm anvertraute Vermögenswerte des Landes Berlin beschädigen würden. Und erst recht nicht würde man vermuten, eine solche Praxis könnte ihren Grund auch darin haben, dass das öffentliche Unternehmen darauf spekulierten, dass gerade auch der durch den jahrelangen Verfall erforderliche besonders hohe Instandsetzungsrückstau die Preise der dann folgenden Modernisierung oder Sanierungen besonders hoch treiben kann (mit den entsprechenden Konsequenzen für die nachfolgenden Mietpreise). Und die meisten Berliner*innen dürfte es für noch unwahrscheinlicher halten, dass darauf spekuliert wird, dass die aufgelaufenen hohen Instandsetzungsdefizite sogar bewusst über Jahre in Kauf genommen wurden, um damit eine Rechtfertigung für komplette (und kostenintensive) Kernsanierungen solcher Häuser zu haben.

Damit ist der Märchenteil und das Weihnachtswunderland aber auch schon zu Ende, denn in der Realität ist das Gegenteil der Fall, die Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin verwenden im Umgang mit vielen Altbaubeständen genau diese Methoden: Bestände werden über Jahrzehnte vernachlässigt, um sie dann mit möglichst großem Aufwand und hohen Kosten zu sanieren, woraus in der Folge sehr hohe Neuvermietungspreise entstehen. Die landeseigenen Gesellschaften treiben die Mietpreisspirale und damit Gentrifizierung aktiv voran, in dem sie die Methoden der privaten Spekulationswirtschaft übernehmen – jahrelanger Leerstand inklusive. Für die Entwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt bedeutet dies, dass durch die teuren Neuvermietungsmieten, die nach solchen „Sanierungen“ entstehen, die Mieten in diesen Bestandsbauten genauso teuer werden wie die Mieten gleichzeitig entstandener Neubauwohnungen. Die bisherige Differenz zwischen günstigeren Mieten in den Altbauwohnungen der Wohnungsbaugesellschaften und hohen Mieten bei künftigen Neubauten wird über diese Methode der Sanierungen nivelliert, vorhandener günstiger Wohnraum einfach weg saniert. Ob neu oder alt (saniert) macht bei den Mietpreisen der Wohnungsbaugesellschaften schon jetzt keinen Unterschied mehr. Der Senat vergrößert durch seine Politik nicht den Bestand an verfügbaren günstigen Wohnungen, sondern bemüht sich momentan im Gegenteil nach Kräften, das Tempo der „Weg-Sanierung“ günstiger Wohnungen bei den Wohnungsbaugesellschaften sogar noch zu erhöhen.

Die Pankower GESOBAU (1) steht in den letzten Monaten besonders in der öffentlichen Kritik, doch vieles an der von Senat und Politik geäußerten Kritik ist dabei zutiefst verlogen und heuchlerisch. Zum einen unterscheidet sich die GESOBAU mit ihrer Praxis gar nicht so sehr von den anderen Wohnungsbaugesellschaften (und schon gar nicht z.B. von der Gewobag, die in der Hinsicht schon seit dem Film „Berlin Chamissoplatz“ von Anfang der achtziger Jahre besonders lern- und erkenntnisresistent zu sein scheint), zum anderen setzen die Wohnungsbaugesellschaften mit dieser Unternehmenspraxis nur die Vorgaben des Senats um – nur sind die verantwortlichen Menschen im Senat zu feige, dazu auch öffentlich zu stehen und zeigen lieber mit den Fingern auf die Geschäftsleitungen der Wohnungsbaugesellschaften.

Ein schlimmes Beispiel ist ein aktuelles „Pilothaus“ der Pankower GESOBAU, ein Altbau in der „Pestalozzistraße 4“ (2) – dort wird die Tatsache, dass die GESOBAU die Hälfte der Wohnungen seit Jahren leer stehen lässt und durch jahrzehntelange Vernachlässigung die Kosten für jetzt notwendige Instandhaltung und Instandsetzung in die Höhe getrieben hat, gezielt benutzt, um jetzt besonderen Druck auf die restlichen Mieter*innen auszuüben, die sich kritisch mit der dort drohenden Aufwertung und anschließenden Mietpreissteigerung auseinandersetzen. Auch hier zieht die Politik aus Senat und Bezirk wieder an einem Strang mit den Mietpreistreibern aus den Wohnungsbaugesellschaften: die Bestandsmieter*innen sollen jetzt mittels spezieller Verträge und Sozialpläne gefügig gemacht werden und ihre Kritik an der Aufwertungs- und Verteuerungsstrategie von Senat und Wohnungsbaugesellschaft einstellen. Zuletzt gab es sogar die Androhung von Duldungsklagen gegen all jene Mieter, die der weiteren Mietpreistreiberei im Haus noch immer im Weg stehen.

Besonders erschreckend ist dabei, dass dieses Pilotverfahren von Senat und Bezirk für die gesamten Bestände der GESOBAU in Form eines Rahmenvertrags ausgeweitet werden sollen, ein Rahmenvertrag, der dann vermutlich auch die bisherige Praxis zahlreicher leer stehender Wohnungen bei solchen GESOBAU-Sanierungshäusern für die nächsten Jahre legitimieren könnte.

Allerdings kann es nicht wirklich wundern, dass sich Bezirk und Senat im Fall der GESOBAU so einig darin sind, dass es sich bei solchen Verfahren um „sozialverträgliche“ und „vorbildliche“ Bewirtschaftungspraxis einer Wohnungsbaugesellschaft handele, denn schon im letzten Jahr erklärten Senat und Bezirk übereinstimmend ein anderes Pilotprojekt bei der Gewobag in Pankow zum Vorzeigemodell sozialverträglichen Sanierens, womit in diesem Fall auch dort jahrzehntelanger Leerstand, Vernachlässigung und im Anschluss sogar die systematische Entmietung eines Haus einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft sogar zum „sozialen Fortschritt“ erklärt wurde.

Wenn Leerstand und Entmietung bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften als „sozialverträglich“ verkauft werden, wie will der Senat dann glaubwürdig bei privaten Immobilienspekulanten gegen solche mieterfeindlichen Methoden einschreiten? Wer schreitet überhaupt gegen spekulativen Leerstand im öffentlichen Wohnungsbestand ein, wenn es schon der Senat nicht tut?

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